Solidarität mit Rojava

Ein gesellschaftliches Experiment inmitten des Krieges

Der syrische Präsident Bashar al-Assad hat nicht allein die Bevölkerung seines Landes durch Fassbomben, chemische Waffen und eine Politik der verbrannten Erde zu Millionen in die Flucht geschlagen. Er hat durch die Kriegsführung in Syrien auch zu einer dschihadistischen Mobilisierung von globaler Dimension beigetragen.

Die Gewalt dieses Krieges hat die ethnisch-religiöse Pluralität der Bevölkerungen in Syrien und dem Irak nahezu unwiderruflich zerstört. Genannt seien hier exemplarisch die Glaubensgemeinschaften der Êzîdî, oder auch die christlichen Assyrer und schiitischen Schabak der nordirakischen Nineve-Ebene nahe Mossuls. Sie alle fielen dem Furor des Islamischen Staates zum Opfer. Dessen Mobilisierung hat die internationalen Massen angezogen. Ihnen gegenüber steht das demokratische Experiment von Rojava. Die Kurd*innen Syriens verweigern sich gleichermaßen dem repressiven arabischen Zentralismus, wie er von Assad repräsentiert wird, und dem reaktionären Islamismus des IS. Sie haben unter den Bedingungen des Krieges ein föderales und vergleichsweise freies Gemeinwesen innerhalb der syrischen Bürgerkriegswelten begründet. Schon jetzt ist das syrische Kurdistan für Kurd*innen weltweit das, was Palästina früher einmal für viele linke Araber*innen war. Eine progressive Idee, die verteidigt, wird, egal wo man lebt, weil sie die eigene Anerkennung miteinschließt und einen Griff in eine bessere Zukunft symbolisiert.

Solidarität in widerspruchsvollen Zeiten
Mit dem globalen Anspruch des Islamischen Staates kann es Rojava allerdings nicht alleine aufnehmen. Insoweit ist die linke Solidarität kein Privileg, sondern tatsächlich etwas Überlebensnotwendiges. Dies betrifft auch durchschlagende Formen des Beistands von gänzlich unerwarteter Seite. Ohne die Unterstützung durch die USA hätte beispielsweise Kobane nicht verteidigt werden können. Fakt ist, dass in Rojava aktuell linke Internationalist*innen und US-Soldaten gemeinsam mit Einheiten der YPG und YPJ gegen den IS kämpfen. Das anzuerkennen mildert kein Verbrechen der imperialen Interventionen der USA im Nahen Osten.

Auf die Frage, was Rojava mit dem Widerstand gegen den G20-Treffen zu tun hat, bekommt man dort keine wirkliche Antwort. Das G20-Treffen ist zu abstrakt, der Krieg ist zu konkret. Natürlich wissen die kurdischen Kämpfer*innen das Donald Trump kein Linker ist. Aber seit seiner Präsidentschaft wurden die Syrian Democratic Forces (SDF) und damit auch die YPG-Einheiten mit neuen Waffen und gepanzerten Fahrzeugen ausgestattet. Es war zuerst Obama und jetzt Trump, der den türkischen Truppen ein Angriffsverbot auf Rojava auferlegte   –  und zugleich Erdoğan die Carte blanche zum Abschuss der PKK ausstellte. Auch das wissen alle Kurd*innen besser als alle europäischen Linken.

Revolutionärer Pragmatismus
Die politisch Verantwortlichen in Rojava bleiben dennoch ihrem revolutionären Pragmatismus treu. Dazu gehört auch, dass der kurdische PYD-Vorsitzende Salih Muslim die USA nach dem jüngsten Angriff auf die syrische Luftwaffenbasis aufforderte, nicht nur das syrische Regime für den Einsatz von Giftgas zur Rechenschaft zu ziehen.

„In den letzten Jahren“, so Muslim, „wurden chemische Waffe auch von anderen Parteien benutzt, etwa in Sheik Maqsoud (kurdisches Viertel in Aleppo, Anm.), in Rojava und in Raqqa“. Stehen wir daher in Hamburg auch für ein Ende dieses grausamen Krieges ein: Kein Giftgas, keine Fassbomben, kein Kopfabschneiden mehr. Für ein demokratisches Syrien für alle Syrer*innen. Für ein freies Kurdistan.

aus: Zeitung der Interventionistischen Linken

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