Kapitalismus oder Klimaschutz?

Von Paris nach Hamburg

Die deutsche Bundesregierung zeigt sich in Bezug auf das Engagement gegen den menschheitsbedrohenden Klimawandel gern als Vorreiterin. Daher ist sie bemüht, ihren G20-Vorsitz dazu zu nutzen, den Klimaschutz beim Treffen in Hamburg stärker in den Fokus zu rücken, als es bisher der Fall war. Die Bundesumweltministerin Barbara Hendricks sagt dazu im Vorfeld des Gipfels: „Bisher redet die G20 vor allem über Finanzen – dass wir jetzt Ressourcen, Klima und Umwelt ins Spiel bringen wollen, ist durchaus Neuland.“

Die G20 scheinen das richtige Forum zu sein, um ernst zu machen und der fundamentalen globalen Bedrohung wirksam zu begegnen. Denn immerhin sind die 20 größten Volkswirtschaften der Welt verantwortlich für über drei Viertel der globalen Treibhausgasemissionen. Die zentralen Vorzeichen, vor deren Hintergrund die Regierungen der Welt, inklusive derjenigen der G20, die globale Katastrophe abwenden wollen, wurden auf der UN-Klimakonferenz in Paris 2015 gesetzt. Also lohnt sich ein kurzer Blick auf die Ergebnisse von Paris.

Name-and-Shame-Prinzip
Die Klimaverhandlungen von Paris wurden von der Politik und den Medien als großer Erfolg gefeiert. Denn das Paris-Agreement sieht die Begrenzung der globalen Erwärmung auf „deutlich unter 2 °C, möglichst 1,5 °C“ vor. Zusätzlich soll den Ländern des globalen Südens, die am stärksten unter den Veränderungen leiden werden und schon leiden, ab 2020 mit 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr bei der Abmilderung der Klimaschäden geholfen werden. Bei der Betrachtung der tatsächlichen Vereinbarung muss jedoch bezweifelt werden, ob sie als eine effektive Maßnahme angesehen werden kann. Das zentrale Instrument der Emissionsvermeidung sind die sogenannten INDCS, die „intended nationally determined contributions“ (die national festgelegten beabsichtigen Beiträge zum Klimaschutz). Die Länder bestimmen ihre Absichten also selbst, es gibt keine festen Vorgaben. Sie sieht lediglich vor, dass die INDCS so ambitioniert sein sollen, dass sie dem vereinbarten Ziel dienen, also der Begrenzung der globalen Erwärmung auf unter zwei Grad. Alle fünf Jahre sollen dann ambitioniertere INDCS vorgelegt werden. Mit der Unterzeichnung des Pariser Abkommens haben sich die Länder völkerrechtlich verpflichtet solche Ziele festzulegen. Allerdings können die Länder völkerrechtlich weder dazu gezwungen werden, bestimmte Ziele zu formulieren, noch diese selbstgesetzten Ziele einzuhalten. Verbindlichkeit sollen die Ziele lediglich durch das sogenannte Name-and-Shame-Prinzip erhalten, indem die Staaten also für zu niedrige Ambitionen oder Nichteinhaltung der Ziele „kritisiert“ werden.

Ob der erhobene Zeigefinger an dieser Stelle wirklich das richtige Instrument ist? Die Staaten mit den größten CO₂-Emissionen wie USA, die EU und China werden sich vor dem erhobenen Zeigefinger von wirklich betroffenen Staaten wie Bangladesch nur wenig fürchten. 

Laut Kevin Anderson (Tyndall Center für Klimawandelforschung) sind wir auf dem Weg zu einem Temperaturanstieg auf mindestens vier Grad, wenn man nach den bisherigen Selbstverpflichtungen aller Staaten geht, die nicht einmal bindend sind. Es zeigt sich also eine große Diskrepanz zwischen der Verpflichtung, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur unter zwei Grad über vorindustriellem Niveau zu halten und den Beschlüssen. Vor dem Optimismus, der mit dem Pariser Abkommen verbunden ist, muss entschieden gewarnt werden. Mit den Worten des britischen Umweltaktivisten George Monbiots: Dass es überhaupt ein verbindliches Ergebnis gebe, sei zwar „ein Wunder verglichen mit dem, was hätte sein können“, jedoch sei das Ergebnis „ein Desaster verglichen mit dem, was hätte sein müssen“. Um eine Chance zu haben, das 1,5 Grad Ziel zu erreichen, müssen mindestens 80% der fossilen Brennstoffe in der Erde bleiben.

Vor diesem Hintergrund ist die Absicht der Bundesregierung, das Thema Klimaschutz beim Treffen der G20 zu stärken, eine geschickte „Marketingstrategie“. Ist die Weltgemeinschaft nicht dazu in der Lage, eine Strategie gegen die Katastrophe zu entwickeln, dann vielleicht die Staaten, die hauptverantwortlich sind. Befinden sich nicht auch die großen Blockierer des Pariser Abkommens im Kreis der G20? Das Zauberwort für die Bundesregierung heißt Ressourceneffizienz. Dies erscheint naheliegend.

Denn die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen ist der Grund für jede Form von Umweltzerstörung, die das Klima schädigt, von der massiv fortschreitenden Zerstörung der Ökosysteme bis zum massiv fortschreitenden Verbrauch fossiler Energieträger. Die besondere Attraktivität von „Ressourceneffizienz“ ist jedoch, dass sie das ultimative Ziel kapitalistischen Wirtschaftens nicht nur unangetastet lässt, sondern sogar unterstützt. Effizienz meint den Einsatz von weniger Ressourcen, um besser zum eigentlichen Ziel zu gelangen: Wirtschaftswachstum, Profit, Kapitalakkumulation.

Der Vorschlag der G20 ist also, das grundsätzliche Problem, den mit dem Kapitalismus untrennbar verbundenen Zwang zum Wachstum, unter dem schicken Titel „Ressourceneffizienz“ zur Lösung zu machen. Ressourceneffizienz erweckt den Anschein, etwas zu unternehmen ...

Überwindung des Systems
Egal, was in Hamburg beschlossen wird: Das Problem wird nicht an der Wurzel gepackt. Denn der Klimawandel hat seine Ursache im (fossilen) Kapitalismus, den die G20 repräsentieren und verwalten. Mit dem Festhalten am Wachstum ist die effektive Eindämmung des Klimawandels nicht vereinbar. Die G20 versuchen mit ihrer „Sorge“ um den Klimawandel lediglich ihre Machtposition zu legitimieren, indem sie vorgeben, Lösungen für die globalen Probleme zu haben, die uns alle betreffen.

In den  vergangenen Jahrzehnten haben die kapitalistisch organisierten Staaten bewiesen, dass sie kein Interesse an der Bekämpfung des Klimawandels haben oder einfach nicht in der Lage sind etwas zu unternehmen. Jetzt ist tatsächlich 5 vor 12 für die Rettung des globalen Klimas, aber dafür brauchen wir die Überwindung des Systems, das vorgibt, die Lösung zu sein, jedoch nicht nur ein Teil des Problems, sondern seine Wurzel ist.

aus: Zeitung der Interventionistischen Linken

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G20 – Die „Geschäftsbedingungen“ des globalen Kapitalismus
Resilienzkapitalismus. Unsicherheit – das neue Narrativ

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