»Wir brauchen den Bruch mit dem Kapitalismus«

Interview mit Mischa von Blockupy NRW und der iL

Im folgenden dokumentieren wir ein Interview, das am 28. April 2014 in der Tageszeitung junge Welt erschienen ist. Das Interview führte Markus Bernhard:

Blockupy-Netzwerk bereitet für Mai antikapitalistische Aktionstage in mehreren deutschen Städten vor. Ein Gespräch mit Mischa Aschmoneit

Mischa Aschmoneit ist Pressesprecher von Blockupy NRW und aktiv in der Interventionistischen Linken.

Am 17. Mai soll es in verschiedenen Städten erneut Aktivitäten des antikapitalistischen Blockupy-Netzwerkes geben.
Was ist geplant?

Wir bereiten zentrale Demonstrationen und Aktionen des zivilen Ungehorsams in Berlin, Düsseldorf, Hamburg und Stuttgart vor. Blockupy setzt damit einen Schwerpunkt innerhalb der Europäischen Aktionstage, die vom 15. bis zum 25. Mai stattfinden und unter dem Motto »crossing borders in solidarity – building democracy from below« (»Grenzen solidarisch überwinden – Demokratie von unten bauen«, Red.) stehen. In Dutzenden Städten in Europa, darunter Madrid, Paris, Amsterdam, Rom und Brüssel wird es weitere Aktionen geben.

In Düsseldorf machen wir nach einer Demonstration dezentrale Aktionen in der Innenstadt, u.a. zum Freihandelsabkommen TTIP, zu Arbeitsbedingungen in der Textilwirtschaft sowie zum Recht auf Stadt. Danach fahren wir zum Flughafen und protestieren gegen die rassistische Abschiebepolitik. Bundesweit rechnen wir mit einigen tausend Teilnehmern.

In Griechenland leiden die Menschen unter dem Spardiktat der Troika aus IWF, EZB und EU-Kommission. Wird die internationale Solidarität mit dem gebeutelten Land bei den Protesten eine Rolle spielen?

Unsere Aktionen sind unsere Antwort auf das beispiellose Verarmungsprogramm für die Menschen vor allem in Südeuropa. Denn was uns von den Regierenden als »Krisenlösung« oder »notwendige Reformen« verkauft werden soll, hat dort eine humanitäre, soziale und politische Katastrophe verursacht. Mitten im reichen Europa stehen Kinder morgens hungrig auf und gehen abends hungrig ins Bett, steigt die Selbstmordrate, ist medizinische Versorgung eine Frage des Geldbeutels, werden Sozialsysteme zerstört, Familien aus ihren Wohnungen vertrieben. Jungen Menschen wird eine Ausbildung verwehrt, Flüchtlinge werden verfolgt und abgeschoben. Das alles gibt es auch hierzulande, aber im Süden Europas ist dieser Prozeß erschreckend weit vorangeschritten. Wir thematisieren die Situation in anderen Ländern in unseren Veranstaltungen. Zugleich wissen wir, daß unser bester Beitrag zur internationalen Solidarität darin besteht, die Kämpfe hier zu entfalten.

Und wie lauten Ihre Antworten auf die Krise und den politischen Rechtsruck in der EU?

Unsere Antwort ist im Kern das Einfache, das so schwer zu machen ist. Der Kapitalismus ist schon in stabilem Zustand ein System der Ausbeutung und Unterdrückung. Seine Krisen sind nicht durch falsche Entscheidungen von Politikern oder Managern verursacht, sie sind im System selbst begründet. Wer für alle Menschen ein gutes Leben haben will, kann das nicht im Kapitalismus bekommen. Wir brauchen eine Gesellschaft, in der die zentralen Bereiche der Wirtschaft nicht mehr dem Profitstreben unterworfen sind, sondern zur Befriedigung der Bedürfnisse aller dasind. Wir brauchen eine Gesellschaft, in der die Demokratie nicht am Betriebstor aufhört. Wir brauchen den Bruch mit dem Kapitalismus. Dies auszusprechen ist das Einfache, den Weg dorthin zu finden, ist das Schwere. Wir wollen aber dabei einen Schritt vorwärts kommen, indem wir massenhaft vom Protest zum zivilen Ungehorsam, zum Widerstand gegen die Krisenpolitik übergehen.

Also lehnen Sie die EU ab?

Innerhalb des Blockupy-Bündnisses gibt es verschiedene Positionen in der Europa-Frage im allgemeinen sowie zur Frage der EU im besonderen. Einig sind wir uns darin, daß wir die EU, so wie sie ist, definitiv nicht wollen. Ich selbst stehe auf dem Standpunkt, daß die Europäische Union unter kapitalistischen Bedingungen nur ein reaktionäres Staatenbündnis sein kann. Andere sehen durchaus das Potential, sie zu reformieren. Insofern spiegeln sich bei uns die Debatten, die in der gesamten politischen Linken Europas geführt werden.

Sind auch wieder Aktionen vor dem Gebäude der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt am Main geplant?

Ja, wir wollen die Feierlichkeiten zur Neueröffnung der EZB-Zentrale in Frankfurt Ende dieses Jahres mit kreativen Aktionen begleiten und, wenn möglich, verhindern. Die Aktionen am 17. Mai sind ein Warm-up. Im Herbst wird sich zeigen, ob die Linke in Deutschland weiter so zurückhaltend ist oder ob sie jenseits der ritualisierten Samstagsdemonstrationen auch mitten in der Woche so handeln kann, daß es den Herrschenden wehtut.