Nazis entgegenstellen – Rassismus bekämpfen – Nicht nur in Heidenau

Aufruf der IL: Kommt nach Heidenau und Dresden

Randalierende Nazis nehmen die Stadt auseinander, besoffene Rassist_innen stehen applaudierend daneben oder machen gleich mit. Bis zu 1.000 Menschen sammeln sich auf den Straßen und lassen ihrem menschenverachtenden, rassistischen und dumpf-deutschen Hass freien Lauf. In diese pogromartige Stimmung werden nur wenige Stunden später die ersten Geflüchteten gebracht, um in einem mit Feldbetten und Bauzäunen voll gestellten Baumarkt zu »wohnen«.

Das ist Heidenau 2015: eine unfassbare Situation und gleichzeitig nur ein neuer Höhepunkt in einer Welle rassistischer Gewalt. Allein in den letzten Tagen: In Nauen und Weissach werden geplante Unterkünfte komplett abgefackelt, in Leipzig versuchte ein Brandstifter das selbe. In Berlin urinieren Neonazis in der S-Bahn auf die Kinder einer migrantischen Familie, in Hildesheim greifen Rassisten einen Geflüchteten mit Holzlatten an. Diese Liste ließe sich praktisch endlos fortführen. Mehr als 200 Angriffe auf Geflüchtetenunterkünfte gab es allein im ersten Halbjahr 2015, die Dunkelziffer liegt vermutlich noch höher.

Politik und Polizei verhalten sich dabei so passiv, dass man nur noch von einem kalkulierten, gewollten Staatsversagen sprechen kann. Angesichts der Angriffe von Nazis und der pogromartigen Stimmung an vielen Orten kann kein Polizeiführer und Politiker behaupten, überrascht worden zu sein. Tagelang sind sie nicht in der Lage, auf die Gewalt in Heidenau zu reagieren – bei einer antifaschistischen Gegendemonstration kann dann allerdings plötzlich hart durchgegriffen werden.

Auch der bei Städten und Kommunen grassierende Gestus der Überforderung bei der Aufnahme von Flüchtlingen ist durchaus erwünscht. Statt die bestehenden administrativen und finanziellen Möglichkeiten auszuschöpfen und die Unterbringung und das Ankommen der Geflüchteten menschlich und mit Weitsicht zu organisieren, wird ein Notstand fingiert. Dessen aggressiver Widerhall im rassistischen Alltagsverständnis vieler Bürger_innen ist dann wiederum der Referenzpunkt, mit der Verschärfungen der Asylpolitik gerechtfertigt werden sollen.

Rassistische Hetze: Aktiv befeuert
So lässt die Politik, gerade in Sachsen, nicht nur geschehen, sondern befeuert die rassistische Hetze auch aktiv: Bundesinnenminister De Maizière (CDU) will das Asylrecht verschärfen, Leistungen kürzen und schneller abschieben. Der Erfurter SPD-Oberbürgermeister fordert in einem offenen Brief, als Konsequenz aus Heidenau die Liste der sicheren Herkunftsstaaten zu erweitern und die Schulpflicht für geflüchtete Kinder auszusetzen. Die sächsische Landesregierung will Abschiebecamps für Geflüchtete aus den Balkan-Ländern einrichten und gibt sich ansonsten große Mühe, die sächsischen Nazis und Rassist_innen zu verharmlosen oder ihnen gleich offenes Verständnis entgegen zu bringen. Blanker Rassismus wird als Asylkritik verharmlost, mit den Hetzer_innen von Pegida setzt man sich gerne an einen Tisch: Durch diesen Kurs fühlen sich Neonazis erst Recht bestätigt.

Was die »Völkerwanderung« aus Afghanistan, Syrien, Eritrea und Mali nach Europa antreibt, ist nicht der heimtückische Wille, die mickrigen Leistungen des neoliberal zurechtgestutzten Sozialstaates »auszunutzen«, wie der deutsche Rassist – ob in Amt und Würden oder als einfacher Bürger – imaginiert. Es sind die Bomben Assads, die unerbittliche Gewalt von Boko Haram und des IS und der gnadenlose Raubbau an Natur von europäischen Fischfangflotten vor den Küsten und Rohstoffkonzernen im Herzen Afrikas, es ist Krieg, religiöser Wahn und Massenarmut.

Die Verzweifelten, die das Mittelmeer in überfüllten Booten überquert oder Tausende Kilometer über staubige Landstraßen hinter sich gebracht haben, werden sich nicht von Zäunen und Mauern aufhalten lassen. Sie werden weiter zu uns kommen, solange unser Wohlstand auf der Ausbeutung und der Armut ihrer Länder beruht und der Krieg weiter geht.

Es liegt an uns: Aktiv werden!
Die rassistische Gewalt in Heidenau und anderswo ist Folge der menschenverachtenden deutschen Asylpolitik und der rassistischen Stimmungsmache deutscher Politiker_innen. Sich jetzt pressewirksam in Heidenau empört zu geben, ist angesichts dieser Zusammenhänge einfach nur zynisch. Vor allem aber: Der Tross der Politiker_innen und Medien wird weiter ziehen – die tagtägliche, lebensgefährliche Bedrohung, die von den fest etablierten Nazis und Rassist_innen für die Geflüchteten ausgeht, wird bleiben. Ganz zu schweigen von den Bedingungen ihrer Unterbringung, die auch ohne diese Bedrohung allein schon menschenverachtend wären.

Und die Zivilgesellschaft? In Heidenau lässt sie sich nicht blicken, und wenn doch, ist sie dort und anderswo vor allem um Imagepflege bemüht. Dort, wo Menschen sich tatsächlich für den Schutz und die Unterstützung Geflüchteter engagieren, müssen diese selbst ständig mit Angriffen rechnen. Auf Unterstützung durch Politik und Behörden können sie dabei nicht bauen, im Gegenteil: Obwohl die Unterstützer_innen vielerorts Aufgaben übernehmen, die eigentlich der Staat leisten müsste, werden sie von staatlicher Seite in ihrer Arbeit immer wieder drangsaliert und eingeschränkt.

Das zeigt ganz deutlich: Auf staatliche Strukturen kann sich in diesen Fragen niemand verlassen, weder dort, wo Geflüchtete unterstützt werden müssen, noch dort, wo es darum geht, Nazis zu bekämpfen.

Deswegen: Es ist schwer, angesichts dieser Zustände nicht zu resignieren, aber gleichzeitig ist klar – es ist an uns. Wenn wir uns nicht wehren gegen Nazigewalt und rassistische Hetze, gegen die menschenverachtende Asylpolitik und das kalkulierte Staatsversagen, gegen den dumpfen Mob und die rassistischen Eliten, dann macht es keiner. Oder auf Sächsisch, damit es auch die Verantwortlichen dort verstehen: S‘ gladschd glei!

Deshalb zeigen wir den Geflüchteten in Heidenau am Freitag mit einem Fest, dass sie nicht alleine sind. Und deshalb demonstrieren wir am Samstag in Dresden, der sächsischen Landeshauptstadt: Gegen Nazigewalt und ihre Tolerierung, gegen die rassistische Hetze von den Kleinstadtstraßen und aus den Großstadtbüros – in Solidarität mit den Geflüchteten und allen, die sich täglich dem Nazipack entgegen stellen.
Stellt euch entschlossen gegen den Mob in Heidenau und die sächsischen Verhältnisse! Die rassistische Hetze und Gewalt im ganzen Land müssen endlich ein Ende haben!

Heute die Pogrome von morgen verhindern 
Schutz für Geflüchtete statt Verständnis für Rassist_innen

Freitag, 28. August, 15 Uhr: Willkommensfest in Heidenau
Samstag, 29. August, 14 Uhr: Demonstration, Dresden HBF