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Gesundheit

Gesundheitsversorgung vergesellschaften

Die „Corona-Krise“ ist im vollen Gange und plötzlich stellt die ganze Welt fest, wer wirklich systemrelevant ist – Berufe wie Pfleger*innen, Hebammen, Ärzt*innen und Reinigungskräfte.

Denn die Zustände in Pflege und Gesundheitswesen waren schon vor der Corona-Krise unhaltbar: massive Überlastung der Beschäftigten und horrender Personalmangel führten zu Arbeit unter ethisch nicht mehr vertretbaren Bedingungen. Kostendruck durch das Abrechnungssystem der Fallpauschalen (DRGs) in den Krankenhäusern, Outsourcing von Servicebereichen, Unterversorgung von Patient*innen, frühzeitige `blutige Entlassungen´ nach Hause, zugleich absurde, medizinisch nicht notwendige Eingriffe, die sich aber aus betriebswirtschaftlicher Sicht lohnen. Dieses Nebeneinander von Unter- und Überversorgung zeigt: Unser Gesundheits- und Sozialsystem ist am Kapitalismus erkrankt und die Leidtragenden sind die Patient*innen, deren Angehörige und die Beschäftigten! Letztere werden beispielsweise durch zu wenig oder unzureichende Schutzausrüstung in Gefahr gebracht, sie sollen nun bis zu 12-Stunden-Schichten herangezogen werden dürfen und müssen in Fällen weiterarbeiten, in denen andere Menschen in völlige Quarantäne geschickt werden. Die Covid-19-Pandemie zeigt wie unter einem Brennglas, dass sich ein marktförmiges, auf Profite ausgerichtetes Gesundheitssystem nicht eignet, um eine Gesellschaft auf Pandemien vorzubereiten. Deshalb müssen jetzt die richtigen Lehren aus dieser Erfahrung gezogen werden. Gewinninteressen dürfen nie wieder tonangebend in Sachen Gesundheit sein.

Für uns ist Gesundheit keine Ware. Für uns ist Gesundheit kein Gegenstand von Profit. Für uns sollte Gesundheit auch für diejenigen möglich sein, die tagtäglich alles für die Gesundheit anderer geben.Denn Gesundheit ist ein zentrales Gut, auf dass jede*r Anrecht hat. Die Gesundheitsversorgung ist damit etwas, das uns alle angeht – egal ob Pflegende, die unter schlechten Arbeitsbedingungen leidet, die das Gefühl hat, in ihrem Beruf aus Zeitgründen und aufgrund von Fallpauschalen Patient*innen nicht so versorgen zu können wie es ihrem Anspruch entspricht oder (zukünftige) Patientin die nicht nach ihren Bedürfnissen versorgt wird, sondern so wie es sich am besten damit verdienen lässt.

Deswegen wollen wir uns auf verschiedene Art und Weise einbringen in die Kämpfe für ein anderes Gesundheitssystem, eines das nach menschlichen Bedürfnissen ausgerichtet ist und nicht nach marktwirtschaftlichen Prinzipien. Das ist keine naive Wunschvorstellung. Ein anderes Gesundheitssystem ist möglich – Beispiele dafür und auch Erfahrungen aus der Vergangenheit gibt es zuhauf. Die Kämpfe die geführt werden und die wir unterstützen wollen, sind auf sehr verschiedenen Ebenen angesiedelt. Ihre Ziele reichen von Reformen innerhalb des bestehenden Systems bis zu einer ganz anderen Konzeption der Gesundheitsversorgung.

Angefangen mit den erfolgreichen Streiks für eine verbindliche Personalbemessung im Krankenhaus, unterstützen wir als Teil von lokalen Bündnissen die betrieblichen, tariflichen und politischen Auseinandersetzungen um mehr Personal, eine ausreichende und zweckgebundene Finanzierung des Gesundheitswesens und eine Bedarfsplanung, die sich an den Bedürfnissen der Beschäftigten und Patient*innen orientiert. Bundesweit wird der Widerspruch der Pflegenden gegen den geplanten Personalmangel, die Arbeitsverdichtung und die Ökonomisierung des Gesundheitssystems immer vernehmbarer. In ganz Deutschland verteilt gibt es Solidaritätsgruppen, die die Beschäftigten bei ihren Auseinandersetzungen aktiv unterstützen werden und die gesellschaftliche Dimension dieses Konflikts deutlich machen wollen. Durch gewonnene Tarifabschlüsse kann die Situation der Beschäftigten zum Positiven verändert werden. Erfahrungen der Selbstermächtigung können die Kampfbedingungen für kommende Auseinandersetzungen verbessern. Ein verbindlicher Personalschlüssel würde einen nennenswerten Faktor der Betriebskosten aus der Optimierungslogik des Fallpauschalensystems herauslösen. Und Profitmöglichkeiten könnten deutlich eingeschränkt werden. Der bisherigen Personalbemessung entlang von Budgets würde eine Personalbemessung am Bedarf entgegengesetzt. Es muss daher deutlich gemacht werden, dass es sich nicht um rein betriebliche Auseinandersetzungen handelt. Sie können einen Symbolcharakter für die Frage nach einem besseren, gerechteren und würdevolleren Leben darstellen. Als radikale Linke wollen wir solche Kämpfe um eine soziale Infrastruktur auch als Antwort auf eine erstarkende rechtspopulistische und rechtsextreme Bewegung nutzen.

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