Der Titel unserer Veranstaltung ist durchaus ernst gemeint. „Ich krieg’ die Krise!“, weil ich, und das meint natürlich verallgemeinernd, wir nicht außerhalb der Krise stehen. Die Krise, nicht nur des kapitalistischen Finanzsystems, sondern die des weltweiten Kapitalismus, ist in den Metropolen angekommen. Das wird die zukünftigen Verhältnisse bestimmen. „Ich krieg’ die Krise!“ aber auch angesichts einer öffentlichen Debatte, die staatlicherseits die Gemüter beruhigen und das Vertrauen in „unser Wirtschaftssystem“ stärken soll.
Genau das wollen wir nicht.
Es kriselt also mal wieder, aber gewaltiger als zuvor: Banken krachen zusammen und jeden Tag steht in der Zeitung, dass nur der Staat den Finanzmarkt noch retten kann. Der Neoliberalismus gilt als gescheitert und auch kapitalismuskritische Statements kommen ins Abendprogramm. Der „ewig gestrige“ Marx wird wieder hervorgeholt und kommt auf die Titelseiten und es wird die Frage gestellt, ob er nicht doch recht hatte.Aber recht womit? Ganz sicher nicht mit solchen Erklärungsmustern wie den raffgierigen Bankern und Spekulanten, die uns das ganze eingebrockt hätten. Auch nicht mit der Mär von „Heuschrecken“, die über uns hergefallen sind. Und ganz sicher nicht mit dem Lob des anständigen Kaufmanns und Unternehmers, der das Wohl des deutschen Volkes im Sinn hätte.
Diese von Regierung und Medien, aber auch bis in weite Teile der Linken gern zitierten Bilder verkürzen nicht nur die Kritik am Kapitalismus, sondern sind gar keine. Nicht nur das es Schuldige sucht, wo es sich ganz offensichtlich um ein - was die jetzt gebrandmarkten „Auswüchse“ betrifft - in 30 Jahren etabliertes System handelt. Es benutzt Stereotypen, die durchaus antisemitisch geprägt sind.Angesichts dessen, gilt auch hier: „Ich krieg’ die Krise!“.
Beruhigend wird von Finanzmarktkrise gesprochen. Doch was soll das heißen? Ist das eine Sphäre, die mit den anderen nichts zu tun hat? Steckt nicht der Kapitalismus generell in einer Krise? Als Ursachen werden „Immobilienblasen“, Schuldenaufkäufe und windige Finanzprodukte genannt. Aber wie ist diese Krise tatsächlich entstanden? Ist nicht vielmehr das, was wir heute erleben, nur eine weitere Stufe eines seit Jahrzehnten krisenhaften Prozesses?Und: Ist es nicht eigentlich metropolitane Arrgoganz, von Krise erst in dem Moment zu sprechen, wenn sie auch in den Zentren des kapitalistischen Systems nicht mehr geleugnet werden kann? Bis heute, sind bereits hunderte Millionen Menschen in den vergangenen Jahrzehnten Opfer z.B. des IWF-Krisenmangement geworden, eine Milliarde Menschen hungern. Und sind nicht gerade Neoliberalismus und Globalisierung Antworten bzw. Krisenlösungsstragien des Kapitals, um die durch Entkolonialisierung, Befreiungs- und Aneignungskämpfen in aller Welt aufgezeigten Grenzen von Herrschaft und Kapitalverwertung aufzuheben?
Während in den letzten Wochen mit schier unglaublichen Summen jongliert wurde, dürfte eines jetzt schon klar sein: Die Zeche zahlt nicht der Staat und schon gar nicht die Konzerne und Banken, sondern diejenigen, die in aller Welt zum Verkauf ihrer Arbeitskraft gezwungen sind oder eh schon unter dem Existenzminimum oder wie hier in HartzIV-Armut leben.
Wir gehen davon aus, dass kapitalistische Normalität ist, was jetzt als Skandal gehandelt wird. Schon immer wurden die Gewinne privatisiert und die Verluste vergesellschaftet. Wer sonst trägt die Kosten des Systems „freier Märkte“? Und schon immer war nicht die Spekulation die Ursache von Krisen, sondern die Folge mangelnder realer Verwertungsmöglichkeiten. Nicht die Spekulation ist für die Krise verantwortlich, sondern sie ist in der Verwertungslogik des Kapitals selbst begründet.
Bis jetzt wissen wir noch nichts über das Ausmaß dieser Krise. Aber die stillstehenden Bänder der Automobilkonzerne, die angekündigten Massenentlassungen in anderen Branchen könnten Vorboten einer tiefen Rezession sein. Die Krise weitet sich aus, allerdings bleibt die weitere Krisendynamik unklar. Sicher scheint uns, dass die Dynamik des Krisenprozesses nicht mehr auf ein früheres Niveau zurückzudrehen ist. Ebenfalls sind wir uns sicher, dass alle Bestrebungen, zu einer Phase zurückkehren zu können, die vor der entregulierten neoliberalen Weltwirtschaft liegt, ausgeschlossen ist.ZurückGegenwärtig ist ja ständig von der „Realwirtschaft“ die Rede, die in Mitleidenschaft gezogen wird. Aber wo sollen denn dieser Realwirtschaft neue reale Verwertungsmöglichkeiten entstehen, wo doch gerade die Krise des Finanzmarktes Ergebnis ihrer Grenzen ist. Uns scheint also auch genauso sicher, dass jede zeitweise Stabilisierung, also das angebliche Gelingen des Rettungspaketes, nur den nächsten, umso heftigeren Krisenschub vorbereitet.
Wir sind vehement der Ansicht, eine isolierte Kritik des Finanzkapitalismus taugt nicht, um die aktuelle und zukünftige Entwicklung zu erfassen. Vielmehr müssen die nur sehr allgemein unter dem Begriff weltweiter Klassenkämpfe zu fassenden sozialen und politischen Entwicklungen in eine Analyse einbezogen werden. Dann werden durchaus auch Akteure des Systems deutlich, von denen gegenwärtig meist nicht die Rede ist.
1. Es läßt sich eine eindeutige Linie ziehen von der „politisch-moralischen Wende“ des Lambsdorff/Tiegtmeyer-Papiers 1982 und der Kohl-Regierung, über die Diktatur der „Agenda 2010“ des Vorstandes der Deutschland-AG namens Schröder, Fischer, Hartz und Rürüp bis zur großen CDU/SPD-Koalition unter Merkel.Die Kontinuität des „Gürtel enger schnallen“, des „Arbeit muss sich wieder lohnen“, der Rentenreform wie die des Arbeitsmarktes, der zentral ausgeheckten Kampagnen gegen „Sozialschmarotzer“ und des „Das Boot ist voll“ ist ziemlich bruchlos. Und auf der anderen Seite natürlich tausende von Privatisierungs- und Entregulierungsmaßnahmen, Steuerbegünstigungen fürs Großkapital usw usf.
2. International läßt sich diese Entwicklung z.B. in der Gründung der G7, heute G8 nachzeichnen. Das war die Reaktion auf den Zusammenbruch des Bretton-Woods-System der festen Wechselkurse und der Kopplung des Dollars an die Goldreserven Anfang der 1970er Jahre. Das war zum einen sicher Ergebnis der Politik der USA mit Hilfe ihrer Druckmaschinen den Rest der Welt für den verlorengehenden Vietnam-Krieg zahlen zu lassen.So bestand schon damals ein Zusammenhang von Krise und Krieg. Die Benennung der Krisenursachen ließe sich nicht machen ohne die Berücksichtigung der seit den 1970er Jahren bestimmenden Phasen ökonomischer Restrukturierung als auch sozialer Kämpfe. Die Krise des „Fordismus“ wurde auch durch die Niederlage der USA in Vietnam, weltweiter Befreiungskämpfe und radikaler Entwicklungen auch in den Metropolen ausgelöst oder beschleunigt. Die -ismen auf Thather und Reagan stehen für die Reaktion der führenden kapitalistischen Staaten: Freier Markt, Zurückdrängen der Selbstorganisationen der Arbeiter/innen, Zerschlagung sozialer und politischen Bewegungen, den Trikont-Ländern aufgezwungene Programme, die völkermordähnliche Konsequenzen für die Bevölkerungen hatten. Dort wurde, wenn man so will der „neoliberale Finanzkapitalismus“ etabliert.
Abgewickelt wurde das u.a. von der Weltbank und dem Internationalen Währungsfond IWF. Wen wundert es also, dass wir hier insbesondere den IWF-Direktor Köhler nennen müssen, der einen Teil dieser Maßnahmen exekutiert hat. Heute ist er Deutschland Bundespräsident.In der öffentlichen Debatte werden diese Funktionäre des System bisher kaum genannt. Von der Linken auch nicht. Zum Teil sitzen sie heute in den Gremien, die die Krise meistern sollen. Na, dann gutes Gelingen.
okay.Wir richten im ersten Teil der Veranstaltung einen Blick auf die aktuelle Krise des Kapitalismus und ihre Hintergründe und versuchen einen Ausblick auf die weitere Entwicklung.
Wir wollen aber natürlich auch diskutieren, was das das für die Linke heißt. Zum Beispiel: Bietet diese Krise neue Chancen und Möglichkeiten für die Linke? Welche Politikfelder sind für eine linke Intervention strategisch sinnvoll?Eigentlich gibt es seit einigen Jahren gute Voraussetzungen, die traditionelle europa- und metropolenfixierte Sichtweise vieler hiesiger linker Aktivist/innen zu überwinden. In der Kritik am globalisierten Kapitalismus steckt die Möglichkeit, diese Beschränktheit hinter sich zu lassen - insofern antikapitalistische Globalisierungskritik von dem Faktum ausgeht, dass der Kapitalismus ein weltweites System ist, sich das also auch in der politischen Praxis fundamentaler Opposition rund ihrer Strategie und Taktik ausdrücken müsste. Aber gerade im Moment der unleugbaren Krise dieses Weltsystems wird viel zu häufig der Rest der Welt ausgeblendet. Insbesondere tauchen diejenigen Menschen nicht auf, die schon viel länger und in einem ganz anderen Ausmaß die Kosten des weltweiten Kapitalismus zu tragen haben. Weder ihr Leid noch ihr ganz unterschiedlich ausgetragener Widerstand gegen diese Verhältnisse.
Tatsächlich müssen die sozialen, ökonomischen und politischen Verhältnisse der sog. Peripherie, der Wachstumsregionen und Schwellenländer und der kapitalistischen Metropolen USA, Europa und Japan zusammengedacht werden. Es nicht zu tun, ist nur eine andere Sorte verkürzter Kapitalismus-Kritik. Tatsächlich müssen wir die Widerstände und Kämpfe, die sich daran entzünden, wie unterschiedlich, unbestimmt, vielleicht auch gegensätzlich, sie sind, zusammen denken. Es nicht zu tun, ist auch nur eine andere Sorte metropolitaner Beschränktheit.Zeichnen sich heute neue Chancen für linke Politik ab? Zuerst mal sicherlich ja, nämlich was sich im Bereich der gesellschaftlichen Diskussion über den Zustand von Ökonomie und Politik abspielt. Wenn in allen Zeitungen und abendlichen Talkshows die Frage nach dem Ende des Kapitalismus gestellt wird, dürfte es uns doch nicht schwer fallen, einen Begriff von Ursache und Wirkung in die Diskussion zu bringen, in dem der Kapitalismus dann doch nicht mehr so alternativlos ist, wie es genauso täglich in allen Zeitungen steht und uns aus allen Kanälen entgegenplärrt. Es ist also eine ganz gute Zeit für antikapitalistische Propaganda.
Entscheidener glaube ich ist es jedoch, ob es gelingt Perspektiven aufzuzeigen, die jenseits staatlichen Krisenmangements sind. Voraussetzung dafür wären allerdings Handlungen, die bewusst auf Konfrontation und Reibung aus sind, also sich aus der Allianz der „Retter unseres Wirtschaftssystems“ befreien.Das wäre unser Beitrag zur Vergesellschaftung der doch für alles grundlegenden Erkenntis, das man die Sache in die eigenen Hände nehmen muss. Also wenn es in der Krise eine Chance für linke Politik gibt, dann geht es doch um die, die subjektive Seite des Widerspruchs zu organisieren. Also an einer Bewegung zu arbeiten, die allgemeine und sehr konkret für die arbeitenden und ausgegrenzten Menschen wirkende soziale Ziele verficht und einfordert, die autonom und quer zu den Staaten und dem von ihnen gesetzten Rahmen ist, die natürlich radikal und subversiv die „andere“ Gesellschaftlichkeit herstellt.
Denn auch umgekehrt gilt, in dem Maße, wie es sie nicht gibt, wird der kapitalistische Angriff, wird die Abwälzung der Kosten der Krise usw zu einer weiteren sozialen Zersplitterung und Zerstörung führen. „Die Verantwortung der Linken“ besteht also auch gerade darin.
Ganz sicher ist jede Hoffnung, die fortschreitende Krise würde emanzipatives Bewusstein produzieren, quasi wie von selbst hervorbringen, letztlich ein reaktionärer Selbstbetrug. In krisenhaften Situationen haben sich nur dann für linke Bewegungen Chancen aufgetan, wenn, wie früher gesagt wurde „die oben nicht mehr können, und die unten nicht mehr wollen“. Wenn wir also eine Alternative vorschlagen konnten und einen glaubwürdigen Weg anboten, sie durchzusetzen.
Genau darin besteht aber seit spätestens Mitte der 1980er Jahre das Problem: wir sind weder strategisch noch taktisch auf dem Niveau der weltweiten kapitalistischen Entwicklung.
Aber was ist die Konsequenz daraus? Die einen sagen - und deren systemerhaltenes Interesse ist offensichtlich -, der Staat muss es richten und die Kontrolle übernehmen. Aber was sagen wir - denn es ist nun wirklich kein Problem nur von z.B. attac. In der Konsequenz muss sich die Kritik und die daraus folgende Praxis radikalisieren, muss zur Kritik des kapitalistischen Systems überhaupt werden. Antagonistische Kritik muss sich also neu erfinden. Das ist für jede Bewegungspolitik sauschwer und eine politische Herausforderung einer gesamten radikalen und gesellschaftlich kämpfen wollenden Linken. Aber es geht ganz sicher nicht außerhalb konkreter Konfrontationen, der Verteidigung gegen alle die Krise abwälzenden Maßnahmen, wie des Angriffs auf die Machtstrukturen, die sie durchsetzen.
Die K-Frage stellen... - eine Debatte über Krise, Krieg, Klimawandel, Kapitalismus - und des kommunistischen Danach. Einladung zum antikapitalistischen Ratschlag - Gemeinsam Antworten und Perspektiven entwickeln - etc