Spendenkonto für Rojava gekündigt

Solidarität in Saarbrücken unterliegt kapitalistischer Doppelmoral
Kurdistan Report

Sechs Wochen lang gab es in Saarbrücken eine Auseinandersetzung um ein Spendenkonto für die kurdische Selbstverwaltung in Rojava. Hintergrund war die Kündigung dieses Kontos durch die Sparkasse Saarbrücken. Für die Sparkasse war die Kündigung rechtlich einwandfrei und Kritik daran unerwünscht. Für viele andere hingegen war die Entscheidung ein Politikum, das man so nicht hinnehmen wollte.

Vor dem Hintergrund anhaltender Kämpfe der Selbstverteidigungskräfte in Rojava gegen den terroristischen »Islamischen Staat« initiierten die Interventionistische Linke IL und der Verband der Studierenden aus Kurdistan YXK im Oktober 2014 eine Solidaritätskampagne zu Rojava unter dem Motto »Wer, wenn nicht wir – wann, wenn nicht jetzt!«. Los ging´s mit einem Solidaritätsaufruf, für den auch viele prominente Unterstützer_innen gewonnen werden konnten. Inhaltlich bezog sich der Aufruf unter anderem auf die positive Rolle der PKK in der Region und auf die Bedeutung der Selbstverteidigungskräfte für das demokratische Projekt in Rojava. Damit verbunden war eine Spendenkampagne, um die Befreiungskräfte gegen die Dschihadist_innen finanziell zu unterstützen. Mehrere Hundert Menschen haben sich daran beteiligt und bereits Ende November 2014 konnten die ersten 50.000 € nach Rojava überwiesen werden. Insgesamt kamen rund 109.200 € zusammen. Eine Bestimmung, wofür das Geld verwendet werden soll, gab es seitens der Organisator_innen nicht. Die Menschen vor Ort sollten selbst entscheiden, denn sie wissen am besten, was benötigt wird.Aus Protest gegen die Kontokündigung besetzten am 19. Mai Mitglieder des YXK für 2 Stunden die Hauptstelle der Sparkasse Saarbrücken.

Das Spendenkonto wurde auch deswegen bei der Sparkasse Saarbrücken eröffnet, weil Sparkassen wegen ihrer öffentlich-rechtlichen Struktur einer politischen Kontrolle unterstehen. So haben bei der Sparkasse Saarbrücken die Saarbrücker Oberbürgermeisterin Charlotte Britz und der Regionalverbandsdirektor Peter Gillo, beide SPD, den Vorsitz des Verwaltungsrates inne. Noch im Dezember 2014 sprach Charlotte Britz auf einer mit 3 000 Menschen sehr gut besuchten Solidaritätsveranstaltung für Kobanê in der Saarbrücker Messehalle. Auch die diesjährige Newrozfeier der kurdischen Gemeinde im Saarland fand mit Unterstützung durch die Oberbürgermeisterin erstmalig im Festsaal des Saarbrücker Rathauses statt.

Elf Tage nach dieser Feier wurde das Spendenkonto gekündigt. Die Kündigung erfolgte aufgrund der »Allgemeinen Geschäftsbedingungen«, eine inhaltliche Begründung dafür gab es nie. Aus Medienveröffentlichungen lässt sich allerdings nachvollziehen, was dahintersteckt: »Verstoß gegen Bankenrichtlinien« (Saarbrücker Zeitung, 20.05.2015); »... das angegebene Spendenziel ›humanitäre Hilfe‹ für die Kurden sei zweifelhaft« (Saarbrücker Zeitung, 08.05.2015); »Es sei außerdem nicht mit den Ethik-Vorschriften der öffentlich-rechtlichen Kasse vereinbar, dass mit dem Geld möglicherweise Waffen gekauft werden« (Saarländischer Rundfunk, 19.05.2015); »im Rahmen der nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 vorgeschriebenen Überprüfungen auf Geldwäsche und Terrorismus sei man auf das Spendenkonto gestoßen und habe eine Verdachtsanzeige beim Landeskriminalamt gemacht. Zur Kontoschließung sei man verpflichtet, weil die Spenden für PKK-nahe Kämpfer bestimmt seien. Und die PKK sei in Deutschland schließlich verboten« (Saarländischer Rundfunk, 27.04.2015).

»Sparkasse entdeckt Pazifismus«, kommentierte das »Neue Deutschland« und verwies damit auf den Zusammenhang, dass Rüstungsgeschäfte, aber auch Aktien von Rüstungskonzernen problemlos über Banken abgewickelt bzw. gehandelt werden, ohne dass dies von den Banken mit Verweis auf ihre gesetzlichen und moralischen Verpflichtungen (Stichwort: Compliance) infrage gestellt wird. Aber auch bei Spendenkonten hat sich die Sparkasse Saarbrücken bisher nicht mit klaren moralischen Kriterien hervorgetan. Denn sowohl die rechtspopulistische AfD wie auch die neonazistische NPD haben im Saarland jeweils ihr Spendenkonto bei der Sparkasse Saarbrücken.

Aber diesmal ging es um die PKK bzw. ihre syrischen Schwesterorganisationen PYD/YPG, und damit sind wir auch beim PKK-Verbot. Der deutsche Staat betreibt nach wie vor die Kriminalisierung des kurdischen Freiheitskampfes, obwohl sich in der Öffentlichkeit und in den Medien durch die Verteidigung von Kobanê und die Rettung Tausender Yesid_innen die Wahrnehmung der PKK und ihrer politischen Bedeutung deutlich zum Positiven verändert hat. Während also Waffenlieferungen an die irakischen Peschmergas der PDK und YNK offizielle Staatspolitik sind, wird gleichzeitig eine kleine, selbst­organisierte Spendenkampagne für die Selbstverteidigungskräfte in Rojava für das Establishment zum Problem.

Kurz nach Kündigung des Kontos riefen IL und YXK dazu auf, Protestschreiben und E-Mails an die Sparkasse Saarbrücken zu schicken. Einige engagierte Briefe und E-Mails erreichten die Sparkassen-Leitung. Aber schon nach kurzer Zeit schaltete die Sparkasse auf Autopilot und beantwortete die eingehenden Schreiben nur noch mit einer automatisierten Antwort-Mail.

Unterstützung gegen die Kündigung gab es zusätzlich durch den Saarländischen Flüchtlingsrat und die Aktion 3. Welt Saar. Ihre Pressearbeit sorgte für eine gute Präsenz des Themas in den saarländischen Medien und war gleichzeitig Grundlage für weitere Aktivitäten. Am 7. Mai 2015 fand während der Geschäftszeiten eine Protestkundgebung vor der Hauptstelle der Sparkasse Saarbrücken statt, an der Vertreter_innen des gesamten linken Spektrums teilnahmen. Höhepunkt war dann am 19. Mai eine Besetzung eben dieser Hauptstelle durch Mitglieder des YXK, die von Freund_innen aus Saarbrücken unterstützt wurde. Gute zwei Stunden konnten die Aktivist_innen in der Schalterhalle verweilen, wo sie mit Transparenten und Parolen politische Präsenz zeigten.

Trotz vielfältiger Kritik und der Tatsache, dass das Image der Sparkasse Saarbrücken mittlerweile ramponiert war, blieb der Vorstand des Geldinstituts bei seiner Entscheidung. Mehr noch: Auf schriftliche Dialogangebote ging er nicht ein und war weder zur Kommunikation mit der Kontoinhaberin noch zu irgendeiner Stellungnahme in dieser Sache bereit. Ein politisches Armutszeugnis für eine Stadt, die gerne von »Weltoffenheit« und »gelebter Demokratie« spricht.

Das Spendenkonto existiert seit dem 1. Juni 2015 nicht mehr, ein neues Konto wird es zurzeit nicht geben. Auf der Webseite der »Solidaritätsinitiative mit Rojava« begründen die Initiator_innen ihre Entscheidung folgendermaßen: »Unserer Kampagne ›Solidarität mit Rojava‹ wurde das Spendenkonto gekündigt. Der Initiative ›Waffen für Rojava‹ ging es mehrmals genauso. Deshalb werden wir kein neues Konto eröffnen und die Spendensammlung für die Selbstverteidigungskräfte in Rojava über ein Konto beenden. Nach der Befreiung von Kobanê steht nun der Wiederaufbau der Stadt an. Für alle, die ihre Solidarität mit Rojava durch eine Geldüberweisung zeigen wollen, besteht die Möglichkeit an Hilfsorganisationen zu spenden. Wir empfehlen beispielsweise ÇAR DEST, eine Humanitäre Hilfsorganisation.«(1)

Die Zeitung »The Maghreb and Orient Courier« hat vor Kurzem zwei Landkarten von Syrien abgedruckt, einmal vom Mai 2014 und einmal vom Mai 2015. Man sieht, wie sich der IS innerhalb eines Jahres ausgedehnt hat mit Ausnahme der Gebiete, in denen die kurdischen Kräfte aktiv sind. Sie sind die Zukunft der Region, sie sind das Beispiel für alle, die selbstbestimmt um Demokratie, Säkularismus und Freiheit kämpfen. Die Sache der Emanzipation gewinnt oder verliert in Rojava, und zwar für alle.

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(1) Helfende Hände – ÇAR DEST e.V., http://www.cardest.org