Sexuelle Gewalt im Deutschrap

Forderung nach Absage des Konzerts mit Samra in Hamburg

Das wichtigste zuerst (1): Wir erklären uns solidarisch mit allen Opfern sexualisierter Gewalt. Nein heißt Nein, Schweigen heißt Nein, alles was nicht ein enthusiastisches JA ist, heißt Nein. Es kotzt uns an, dass wir uns schon wieder damit auseinandersetzen müssen. Gleichzeitig wissen wir um den Mut, den es kostet, einen sexuellen Übergriff öffentlich zu machen – einmal mehr, wenn der Beschuldigte nicht nur eine Person des öffentlichen Lebens ist, sondern auch noch eine Menge Fans hat, die tlw. nicht vor Gewalttätigkeiten zurückschrecken. Für uns ist daher klar: Wir sind parteiisch mit der Betroffenen Nika Irani und das heißt für uns, dass wir den geäußerten Vorwürfen Glauben schenken.

Dazu ein paar Zahlen:

  • Rund 13% aller Frauen über 16 (2) in Deutschland haben strafrechtlich relevante Formen sexualisierter Gewalt erlebt. Rund 25% aller in Deutschland lebenden Frauen haben körperliche oder sexualisierte Gewalt durch eine*n Partner*in erlebt. Es ist davon auszugehen, dass die Dunkelziffer deutlich höher liegt.
  • Lediglich ca. 5% der Sexualstraftaten werden zur Anzeige gebracht.
  • Von diesen zur Anzeige gebrachten Taten enden wiederum nur ca. 13% mit einer Verurteilung des*der Täter*in(en).
  • Eine Studie aus 2009 kommt zu dem Ergebnis, dass Falschanschuldigungen ein absolut marginales Problem darstellen: Nur in rund 3% aller Fälle handelt es sich um eine Falschanschuldigung.

Es gibt viele Gründe dafür, warum FLINTA* sich entscheiden, eine Sexualstraftat nicht zur Anzeige zu bringen. Dazu zählen u.a., dass gesamtgesellschaftlich Opfer sexualisierter Gewalt immer noch viel zu oft darum kämpfen müssen, dass ihnen geglaubt wird. Sie erleben Victim Blaming („Was hattest du an?“), müssen erleben, dass Polizei und Richter*innen ihnen nicht glauben oder ihnen sogar niedere Motive unterstellen und sehen sich – gerade wenn der Beschuldigte eine Person des öffentlichen Lebens ist – massiven Angriffen ausgesetzt. Dabei kostet allein die Verarbeitung des Traumas und die Veröffentlichung eines solchen Falles die Betroffenen i.d.R. sehr viel Kraft. Wir haben deswegen vollstes Verständnis dafür, wenn sich eine betroffene Person nicht an die Strafverfolgungsbehörden wenden möchte, da sie diesen nicht vertraut.

Warum schreiben wir das alles?

Wir möchten hier explizit dem beschuldigten Rapper Samra keine Bühne geben, ebenso wie allen anderen in der Rap-Szene, die in den letzten Jahren ähnlicher Taten beschuldigt wurden. Wir alle wissen, dass es auch in Hamburg Rapper gibt, die in den letzten Jahren mehrfach beschuldigt wurden, gewalttätig und sexuell übergriffig gegenüber FLINTA* gewesen zu sein. Wir sagen es ganz deutlich: Ihr seid das Letzte!

Aber – am 06. März 2022 soll Samra – gemeinsam mit Capital Bra – in der Barclaycard Arena in Hamburg auftreten. Wir fordern, dass sowohl die BarclaycardArena wie auch CapitalBra Konsequenzen ziehen und das Konzert sowie die Tour abzusagen, bis die Vorwürfe abschließend geklärt sind.

Rap hat ein Problem mit der Verherrlichung von Gewalt gegen FLINTA*. Die meisten Protagonisten fallen immer wieder mit Texten auf, in denen FLINTA* auf’s übelste missbraucht werden. Wir möchten an dieser Stelle keine exemplarischen Zeilen wiederholen, sondern auf
Projekte wie #unhatewomen verweisen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, misogyne und gewaltverherrlichende Rap-Texte und die dazugehörigen Interpreten zu sammeln und zu veröffentlichen. Rap ist immer auch Ausdruck und Abbild von Gesellschaft. Dass es im Rap-
Kosmos Rapper*innen, Journalist*innen und Co gibt, die sich bewusst und deutlich von der Frauenverachtung distanzieren und sich dagegen positionieren finden wir gut und supporten wir. Wir möchten außerdem auf #deutschrapmetoo verweisen, eine großartige Initiative, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die jetzt anlaufende MeToo Bewegung im Deutschrap aktiv zu stützen, indem sie die Geschichten der Betroffenen sammelt und perspektivisch veröffentlichen will. Wir sind begeistert von den Rapperinnen (und leider nur sehr wenigen Rappern), die sich in den letzten Wochen deutlich positioniert haben und sich mit der Influencerin Nika Irani (@playgirlnikaa) solidarisch erklärt haben. (Deutsch-) Rap war viel zu lange eine Bastion toxischer Männlichkeit und Frauen*hasses. Der Laden gehört aufgeräumt!

(1) Wir verzichten bewusst darauf, hier die ganzen Geschehnisse der letzten Wochen nochmal aufzuführen. Das wurde an anderer Stelle ausführlich getan. Hierzu sei u.a. direkt auf den Instagram-Account von Nika Irani (@playgirlnikaa) sowie z.B. auf den Artikel in der  Süddeutschen Zeitung verwiesen: https://www.sueddeutsche.de/kultur/samra-vergewaltigungsvorwuerfe-hip-hop-1.5326391

(2) Die Studie des BMFSFJ auf die wir uns beziehen gibt leider nur die Zahlen für Cis-Frauen aus. Das Wissen um Gewalt gegen insbesondere Trans-Personen und andere nicht-cis-gender Personen legt jedoch nahe, dass die Zahl der dort Betroffenen noch deutlich höher ist.