Hamburg: Pegida, die antifaschistische Bewegung und die Bürgerschaftswahl 2015

Januar 2015: Es ist Deutsch in Kaltland.
Fuck AfD auf Fasade der Druckerei im Gängeviertel
Fuck AfD auf Fassade der Druckerei im Gängeviertel
unbekannt

Die politischen Entwicklungen der vergangenen Wochen deuten auf einen gesellschaftlichen Rechtsruck hin. Wöchentlich gehen in Dresden, Berlin und einigen anderen Städten tausende Rassist_innen auf die Straße und hetzen gegen Migrant_innen, Linke und eine vermeintliche "Islamisierung". Die rassistische Ausrichtung der Proteste wurde seit Anfang Dezember durch Medien und antifaschistische Initiativen aufgezeigt. Dennoch wurde Pegida ("Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes" zum Ende 2014 Thema in der Bundespolitik. Ursächlich hierfür ist neben des stetigen Zuwachses (der sich vor allem auf Dresden konzentriert) vor allem die politische Unterstützung von Seiten der Christdemokrat_innen sowie der Alternativen Für Deutschland. Dem gegenüber steht eine relativ breite gesellschaftliche Gegenbewegung, die spektrenübergreifend von Linksradikalen, über Religionsgemeinschaften, Gewerkschaften bis hin zur SPD reicht und in einigen Städten sogar Großdemonstrationen auf die Straße brachte. Eine Ausweitung von Pegida auf andere Städte konnte dadurch eingegrenzt werden. Dennoch deuten drei Entwicklungen auf eine qualitative Veränderung hin. Zum einen der ständige Anstieg der Pegida-Anhänger_innen vor allem in Dresden, aber auch die Kontinuität, und Anzahl mit der Rassist_innen auf die Straße gehen. Hinzu kommt die Zunahme der rassistischen Mobilmachung gegen Flüchtlingsheime und erhöhte Anschlagszahlen auf ebendiese. Letztlich zeugt auch die Zusammensetzung, die von organisierten Neonazis, über Konservative, Afd-Wähler_innen bis hin zu rassistischen Stammtisch- und Anwohner_innen reicht, von einer qualititativen Veränderung. Der rassistische Diskurs über eine angebliche "Islamisierung" des Abendlandes und damit verknüpft die Frage die Forderungen nach noch rigideren Einwanderungsbeschränkungen und vollständiger Assimilation von Migrant_innen sind gerade aktueller denn je.

What's next?

Es ist offen und nur schwer abschätzbar, ob wir es hier mit einem nachhaltigen gesellschaftlichen Rechtsruck zu tun haben. Nicht zuletzt da die politischen Konsequenzen der islamistischen Anschläge in Paris (auf die Satirezeitung Charles Hebdo und einen jüdischen Supermarkt) für Deutschland nicht absehbar sind. Gleichzeitig existiert neben den rassistischen Mobilisierungen auf der Straße mit der AfD erstmals ein rechtspopulistisches Parteienprojekt, welches einerseits ein längerfristiges Organisierungsangebot darstellt und andererseits aktuell beginnt den Diskurs nach Rechts zu verschieben und mitzubestimmen. Sich offen rassistisch zu äußern ist wieder möglich. Es bleibt festzuhalten, dass die aufgezeigte qualitative Veränderung, die auf Deutschlands Straßen sich abzeichnet, Anlass zur politischen Diskussion und entschlossenem Handeln gibt.

Krise der Antifa?

Gleichzeitg müssen wir selbstkritisch feststellen, dass eine radikale Linke bzw. Antifa-Bewegung gegenüber einer rassistischen Großmobilisierung mit zehntausenden Menschen handlungsunfähig ist. In den Brennpunkten rasstischer Mobilisierungen wird seit Monaten notwendige Feuerwehrpolitik betrieben. Dennoch fehlt es an gemeinsamer politischer Diskussion über Einschätzungen und Ursachenanalyse, vor allem über Handlungsmöglichkeiten. Ob und wie eine marginalisierte Antifa-Bewegung sich diesen Aufmärschen tausender Rassit_innen entgegenstellen kann, ist wohl eine Kernfrage. Aufmärsche klassischer Neonazis und das Agieren der NPD haben seit Auffliegen des NSU an Bedeutung verloren, nicht zuletzt aufgrund antifaschistischer Expertise, Interventionen und Bündnisarbeit der Antifa-Bewegung. Aktuell zu bemerken ist ebenfalls, dass eine linksradikale, antifaschistische Sprecher_innenposition im Diskurs nicht existent ist.

Dennoch gilt es nach vorne zu schauen. Aus den Erfahrungen und Diskussionen der vergangenen Jahren ist deutlich geworden, dass antirassistische und antifaschistische Kämpfe zusammen geführt werden müssen. Die rassistischen Mobilisierungen auf der Straße mit Pegida und co., das rechtspopulistischen Parteienprojekt AfD sowie der institutionellem Rassismus u.a. in Form der Hamburger SPD-Politik gehen zurück auf einen gesellschaftlich verankerten Rassismus. Mit der Forderung nach gleichen Rechte für alle hier lebenden Menschen müssen wir diesem offensiv entgegentreten, denn das Problem heißt Rassismus.

Hamburg 8° Regen

In Norddeutschland und insbesondere Hamburg ist das politische Klima sicher anders als in Sachsen. Rassistische Mobilisierungen gibt es hier nur vereinzelt und waren in der Vergangenheit von überwältigenden Protesten begleitet. Dennoch gibt es auch hier reaktionäre Bewegungen. Die anstehende Bürgerschaftswahl im Februar wird für die bundespolitische Etablierung der AfD ausschlaggebend sein, da dies ihre erste Landeswahl in Westdeutschland ist. Eine rechte Koalition ist bisher nicht auszuschließen, wenn auch sehr unwahrscheinlich. Gleichzeitig sitzt die rechte Sozialdemokratie seit fast zwei Jahren die politischen Forderungen der Lampedusa-Refugees weiter aus. Fundamentalist_innen wollen unter dem Titel "Besorgte Eltern" gegen eine angebliche "Frühsexualisierung" demonstrieren.

In Hamburg gibt es also über den Bürgerschaftswahlkampf hinaus genug Anlässe, die antirassistisches und antifaschistisches Handeln notwendig machen. Außerdem gilt es die notwendigen Diskussionen zu führen, neue Praxen zu entwickeln und Gegenmacht aufzubauen.

Lets push things forward! Arsch hoch, kopf auch und weiter!

Mit der Broschüre "Rechtspopulismus ist keine Alternative!" wurde vom Hamburger Bündnis gegen Rechts eine umfangreiche Kritik an der AfD verschriftlicht. Diese ist kostenlos und an vielen Orten zu finden. Bereits der Wahlkampfauftakt der AfD am 10. Januar 2015 wurde von hunderten Menschen kritisch begleitet. Weitere Termine finden sich unten.

Werdet aktiv! Organisiert euch!

Das Problem heißt Rassismus! Für ein Bleiberecht für alle!

IL Hamburg [Avanti]


Zeit zu handeln:

Samstag 17. Januar 2015

10:30 Uhr, Schloßstraße, Hamburg-Wandsbek: NPD-Kundgebung unmöglich machen!

14:00 Uhr, U-Bahn St. Pauli: Demo Stadtteil-Ausverkauf – Alles muss raus!

Dienstag 20. Januar 2015

18:00 Uhr, Spritzenplatz, Altona: Für eine Gesellschaft ohne Rassismus – Keupstraße ist überall.
Am 20. Januar beginnt beim NSU-Prozess in München die Zeug*innen-Vernehmung zum Nagelbomben-Attentat in der Kölner Keupstraße am 9. Juni 2004. Bis zur Selbstenttarnung des NSU im Jahr 2011 wurde auch in diesem Fall in erster Linie gegen die Opfer sowie deren Angehörige und Umfeld ermittelt. Die Initiative "Keupstraße ist überall" ruft zu einem Aktionstag vor dem Münchener Oberlandesgericht auf. In HH gibt es Infos, eine Lesung und eine Liveschaltung zum Aktionstag in München.
Infos auf Antifainfo.de

Samstag 24. Januar 2015

11 Uhr, Hansaplatz, St.Georg: Aktionen gegen die homophobe und sexistische Demo der "besorgten Eltern"

21 Uhr, Rote Flora: Infoveranstaltung und Soli-Party - Recht auf Stadt - Never mind the papers

Montag 26. Januar 2015

Zwangsräumung von Heiko verhindern!
www.solidarisch.org

Samstag 31. Januar 2015

13:00 Uhr, Landungsbrücken: Demonstration Recht auf Stadt - Never mind the papers
http://nevermindthepapers.noblogs.org/

Bis 16. Februar 2015

täglich den Wahlkampf kritisch begleiten. Seid kreativ.