Thesen der iL Berlin zur Kohlekommission

System Change not Climate Change Ende Gelände

1. Den Nonsenskonsens verhindern

Eine große Mehrzahl der deutschen Bevölkerung fordert einen Kohleausstieg, die aktuellen Hitzeperioden haben den öffentlichen Diskurs um den Klimawandel neu angeregt.
Mit Ende Gelände finden jährlich international wahrgenommene Massenaktionen des zivilen Ungehorsams gegen die Kohleförderung statt, der Hambacher Forst wird als Ort des radikalen Widerstands zum Bezugspunkt für immer mehr Menschen. Gleichzeitig gründen sich überall neue Klimagruppen, durch Demos, Aktionen und Bürgerentscheide wird die Kohleproduktion lokal angegriffen und der Kampf um Klimagerechtigkeit verbindet sich mit anderen Forderungen wie dem Protest gegen die AfD oder für Feminismus. Kurz: die Bewegung wird breiter, stärker und radikaler. Der Protest gegen die Kohle nimmt dabei den prominentesten Platz ein, denn dieser Energieträger hat die schlechteste CO2-Bilanz und insbesondere die Braunkohletagebaue machen die ungemeine Zerstörung des fossilen Kapitalismus auch bei uns direkt sinnlich erfahrbar. Gleichzeitig stagnieren die Bemühungen der Bundesregierung zur CO2-Reduktion und das schon immer falsche Image von Deutschland als Klimavorreiter schwindet dahin. Diese Kombination aus Bewegungsstärke und Offensichtlichkeit der klimazerstörerischen Politik zwingt die Herrschenden dazu, die Kohlewirtschaft so zu reorganisieren, dass diese ohne großen Widerspruch ablaufen kann, damit zumindest die passive Zustimmung der Bevölkerung gewahrt bleibt: ein Kohlekonsens soll her.


Gleichzeitig ist klar, dass die von der Bundesregierung einberufene Kohlekommission kein Ergebnis erzielen kann, das dem klimapolitisch Notwendigen entspricht: für ein Erreichen des 1,5°C-Ziels benötigt es einen sofortigen Kohleausstieg. Doch sowohl die Bundesregierung als auch die Mitglieder der Kohlekommission sind zu sehr mit den Interessen des fossilen Kapitals verbandelt, als das dies möglich wäre. Vielmehr besteht die Gefahr, dass ein Beschluss zwar einige kosmetische Zugeständnisse macht, aber vor allem die fortgesetzte Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen bestätigt und dabei die wirksamste Klimaschutzmaßnahme bekämpft: die Anti-Kohle- und Klimagerechtigkeitsbewegung. Durch einen pro-forma-Konsens könnte unsere Bewegung demobilisiert werden und der Kampf für Klimagerechtigkeit wäre langfristig geschwächt. Zwar ist es als Ausdruck unserer Stärke zu sehen, dass relativ viele Vertreter* innen der Umwelt-NGOs und der von den Tagebauen bedrohten Dörfer Teil der Kommission sind, jedoch ist es auch notwendige Bedingung, dass ein relevanter Teil der Klima- und Umweltbewegungen den Kohlekonsens im Sinne der Bundesregierung und dem fossilem Kapital mitträgt.


Hier wird sich die Glaubwürdigkeit dieser Vertreter*innen darin zeigen, ob sie klimafeindlichen Einigungen zustimmen oder die Mindeststandards von Klimaschutzpolitik verteidigen und den Widerspruch zwischen den Interessen an einer intakten Umwelt und denen des fossilen Kapitals sichtbar machen. Letzteres wird ihnen dabei umso leichter fallen, je stärker wir als Bewegung gegen einen Kohlekonsens mit dem fossilen Kapital und für konsequenten Klimaschutz mobilisieren.

2. Der Kohleausstieg bleibt Handarbeit

Das Ergebnis der Kohlekommission wird aller wahrscheinlichkeit nach hinter die Klimaziele der Bundesregierung für 2020 zurückfallen oder nicht kompatibel mit einem Erreichen des 1,5°C-Ziels sein.
Des Weiteren sind selbst die gerade genannten Klimaziele nicht ausreichend, um unseren Planeten vor den Auswirkungen des Klimawandels zu schützen und die Menschen im Globalen Süden, die schon jetzt enorm davon betroffen sind, finden keinerlei Vertretung in der Kommission. In Antizipation dieses für uns nicht tragbareren Konsens müssen wir umso mehr mit der wirklich Klimaschützenden Maßnahme Sofortausstieg sichtbar im Diskurs sein. Es ist und bleibt: Kohleaustieg ist Handarbeit! Wir rufen dazu auf rund um die Arbeit der Komission und Verkündung des Ergebnisses alle Akteure des Kohlekapitals zu blockieren, zu markieren oder auf andere kreative Art und Weise klar zu machen: während ihr noch tagt und unzureichende Ziele zu Lasten von Mensch und Natur aushandelt, werden wir aktiv!

 

3. Der Hambi als rote Linie

Der Hambacher Forst ist dabei von zentraler Bedeutung: als einer der letzten Urwälder Westeuropas ist er auf Grund seiner ökologischen Diversität, aber vor allem auch durch den ungemein hartnäckigen und kreativen Widerstand der Waldbesetzer*innen zum Symbol für den Kampf gegen die Braunkohle geworden. Seit 40 Jahren wird der 12.000-jährige Wald abgeholzt, weil sich unter den uralten Bäumen Braunkohlevorkommen befinden, in den nächsten drei Jahren soll der komplette Rest verschwinden. Ab Oktober darf RWE offiziell weiter roden, dafür kann es bereits ab Ende August zu ersten Räumungen kommen. Eine fortgesetzte Rodung ist für uns ein weiteres Kriterium, welches die Kohlekommission delegitimiert. Sie muss als Angriff auf die gesamte Klimagerechtigkeitsbewegung begriffen werden und wäre das Gegenteil eines Konsenses. Dementsprechend ist es wichtig, mit allen Kräften für die Verteidigung des Hambacher Forstes zu mobilisieren. Bei Ende Gelände 2018, während der Rodungssaison 2018/19 und über diese Massenaktionen hinaus. Wenn wir den temporären Rodungsstopp von 2017 in einen dauerhaften verwandeln können, wäre das ein ungemeiner Erfolg: Die Klimagerechtigkeitsbewegung hätte den größten Braunkohletagebau Deutschlands gestoppt.

 

4. Klassenkampf als Antwort auf den Strukturwandel: die Verteilungsfrage offensiv stellen

Das in der Öffentlichkeit am stärksten gegen einen sofortigen Kohleausstieg in Stellung gebrachte Argument ist das der Arbeitsplätze beziehungsweise das des Strukturwandels, auch wenn hier die Zahlen von angeblich betroffenen Arbeitsplätzen oft von interessierten Kreisen in die Höhe gerechnet werden. Für uns als internationalistische Linke ist es keine Option damit die Bedrohung von Milliarden von Menschenleben, insbesondere im globalen Süden, zu relativieren. Ein sofortiger Kohleausstieg ist für uns alternativlos.


Trotzdem stellen wir uns die Frage einer Just Transition für die Beschäftigten und Regionen, deren Lebensunterhalt aktuell noch an die Kohleproduktion gekoppelt ist. Momentan wird dabei ein Interessengegensatz zwischen der Klimabewegung und den Menschen in den Kohleregionen aufgemacht. Davon abgesehen, dass viele Menschen in den Kohleregionen (z.B. in den von Abbaggerung bedrohten Dörfern) auch ein Interesse an einem möglichst schnellen Kohleausstieg haben, muss es darum gehen, diesen Konflikt zu verschieben. Klar ist, dass viel Geld in den Strukturwandel fließen wird. Und klar ist, dass das fossile Kapital versuchen wird, sich den Ausstieg aus ihren zum Teil eh defizitären Kraftwerken möglichst teuer von der Politik vergolden zu lassen. Wie viel Geld davon bei Beschäftigten und Regionen ankommen wird, ist dabei vollkommen unklar – aber jeder Euro für das fossile Kapital wird den Menschen dort fehlen.


Unsere Forderung für den Strukturwandel kann folgendermaßen aussehen:

a) öffentliche Daseinsvorsorge nach den Bedürfnissen der Menschen
Es fehlt an Kindergärtenplätzen, Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen und gutem ÖPNV. Das Geld für den Strukturwandel soll dafür genutzt werden, nach den Bedürfnissen der Menschen in der Region eine gute öffentliche Daseinsvorsorge zu schaffen. Dies bietet die Möglichkeit gleichzeitig gute Arbeitsplätze in der Region und gemeinwohl- statt profitorientierte Betriebe zu schaffen. Dabei soll sich an den Interessen der betroffenen Menschen orientiert werden, sie sollen selbst beraten können, was sie für einen sauberen Kohleausstieg benötigen.

b) Bestandsschutz für alle Beschäftigten
Alle bei RWE, LEAG, Mibrag und Co Beschäftigten erhalten eine Beschäftigungsgarantie zu ihren aktuellen Konditionen. In der Renaturierung und im Rückbau ist weiterhin viel zu tun, viele werden demnächst in Rente gehen und für alle anderen werden sich alternative Beschäftigungsformen finden – z.B. in der gestärkten öffentlichen Daseinsvorsorge. Und solange dies nicht der Fall ist, erhalten alle Mitarbeiter*innen Lohnfortzahlungen. Für die Allgemeinheit ist es besser ein paar tausend Beschäftigte weiter zu bezahlen, als die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen voranzutreiben.

 

c) Entschädigungslose Schließung des fossilen Kapitals
Das fossile Kapital richtet regional und international genug Schaden an. Dementsprechend ist sein Betrieb sofort zu beenden. Um genug Geld für einen regionalen Strukturwandel zu haben, ist die Renaturierung entschädigungslos von den Energiekonzernen durchzuführen – die Aktionäre haben lange genug an der Ausbeutung bzw. Aneignung von Mensch und Natur verdient.

d) Finanzierung durch das Kapital
Der Ausstieg aus der Kohle ist eine unumgängliche Maßnahme um unser Klima zu retten. Schon jetzt ist die Braunkohle mit ihren hohen Folgekosten durch Abbau und Verstromung eine der teuersten Formen der Stromerzeugung überhaupt. Die Klima- und Gesundheitsausgaben durch Treibhausgase werden weiter steigen. Dies sind Kosten, die im Moment noch von der Gesamtgesellschaft getragen werden.
Zur Finanzierung des sofortigen Kohleausstieges fordern wir eine Sondersteuer für Unternehmen und Reiche, denn diese sind die Hauptklimasünder und gleichzeitig die größten Profiteure. In Kalifornien konnte eine CO2-Steuer durch eine ähnliche Verknüpfung von Umwelt- und Sozialpolitik erfolgreich eingeführt werden. Es gilt hier die Frage nach einem guten Leben zu stellen und zwar für die Gemeinschaft. Wir dürfen unser aller Lebensgrundlage, nämlich ein gesundes Klima nicht großen Konzernen wie RWE überlassen, deren einziges Ziel Gewinnmaximierung heißt. Ebenso wenig sollten wir die Kosten für diese Politik tragen, unter deren gesundheitlichen und sozialen Folgen schon jetzt genügend Menschen überall auf der Welt leiden.