EIN HITLERGRUSS UND DIE REAKTIONEN

... oder wie die Leitung der Uni Frankfurt den Rechtsruck vorantreibt
Nazi-Aufkleber

Mittlerweile dürfte allen klar sein, dass die politische Landschaft in Deutschland seit Jahren einen voranschreitenden Rechtsruck erlebt. Die Wahlerfolge, welche die AfD jüngst in Brandenburg, Thüringen und Sachsen eingefahren hat, geschehen jedoch nicht einfach im luftleeren Raum, sondern stehen in Wechselwirkung mit gesellschaftlichen Entwicklungen - das heißt, wie über bzw. ob überhaupt mit Rechten gesprochen wird und wie der zivilgesellschaftliche Umgang mit ihnen im Alltag aussieht, hat einen starken Einfluss darauf, wie weit diese Rechtsentwicklung noch voranschreitet. Dazu zählt nicht nur das Erstarken der AfD und das wiedergewonnene Selbstbewusstsein rechter Akteur*innen auf der Straße, sondern eben auch die jüngste Welle rechten Terrors. Rechte Terroristen schreiten dann zur Tat, wenn sie einen großen Teil der Bevölkerung hinter sich wähnen - durch zunehmende Akzeptanz rechter Positionen fühlen sich die Täter in ihrem Weltbild bestätigt.

Was hat das mit dem Hitlergruß in der O-Woche für Lehramtsstudierende zu tun?

Kurz nach den Orientierungsveranstaltungen des Wintersemesters veröffentlichte die Fachschaft Gesellschaftswissenschaften ein Video, das eine Szene aus der O-Woche für Lehramtsstudierende zeigte. Der in diesem Video gezeigte Hitlergruß oder viel eher die danach folgenden Reaktionen sind symptomatisch für einen Umgang mit Rechts, der sich vor allem durch Relativierung, Bagatellisierung und Täter-Opfer-Umkehr auszeichnet. Das Video zeigt eine Person, die ihren rechten Arm samt Fingern stramm durchstreckt und nicht, wie vom Uni-Präsidium behauptet, „nicht eindeutige Verhaltensweisen und Gesten“ verwendet (Offizielles Statement der Goethe-Uni, 23.10.19): Offensichtlicher kann ein Hitlergruß kaum sein.
Was die Gemüter der Unileitung und einiger anderer jedoch erhitzte, ist nicht, dass eine Person in der O- Woche des Lehramts problemlos einen Hitlergruß zeigen kann, sondern vielmehr, dass es couragierte Menschen gibt, die das Video öffentlich skandalisierten. Mit dieser Reaktion, die nicht das Zeigen, sondern das Anprangern des Hitlergrußes verurteilt, machen sich die Uni-Leitung und viele Andere zu Kompliz*innen des gerade stattfindenden Rechtsrucks.
Denn statt über das Problem und mögliche Konsequenzen für den Täter zu sprechen, sucht man lieber das direkte Gespräch mit dem Täter selbst. Statt über die Bedrohlichkeit solcher Szenen für Betroffenen rechter Gewalt und die öffentliche Zurschaustellung diskriminierender Ideologie durch den Täter zu reden, behauptet man lieber, dass der Täter durch die Veröffentlichung des Videos selbst diskriminiert würde. Anstatt also das Problem zu benennen und zu handeln, wird es relativiert und das Zeigen eines faschistischen Grußes heruntergespielt. Der Täter wird zum Opfer verkehrt und die Kritiker*innen solcher Vorkommnisse zu den eigentlichen Täter*innen, zu Nestbeschmutzer*innen, zum eigentlichen Problem ernannt.
Auch um die im Video zu sehenden Personen, welche die Geste offenbar sofort richtig deuten, jedoch nur mit einer Mischung aus belustigter Irritation und Unentschlossenheit reagieren, sorgt sich die Unileitung mehr, als um all jene, die durch einen Hitlergruß bedroht werden. Ja, es ist peinlich, in einer solchen keinen Widerspruch zu äußern und dabei noch gefilmt zu werden. Aber es ist noch peinlicher, sich im Nachhinein mit Verweis auf Persönlichkeitsrechte zum Opfer zu stilisieren.

Kein Platz für rechte Propaganda an der Uni?

Diese beispielhafte Dynamik der Relativierung, Verleugnung und Täter-Opfer-Umkehr ließ sich an der Goethe-Uni schon in der Vergangenheit beobachten: als sich Protest gegen den Auftritt von Polizeigewerkschaftschef und Rechtsaußen Rainer Wendt regte, als gegen die rassistischen Äußerungen des Professors Egbert Jahn protestiert wurde oder als eine Psychologiestudentin als Mitglied der ‚Identitären Bewegung‘ geoutet wurde - große Teile der Universitätsöffentlichkeit zogen es vor, über die Verrohung des universitären Diskurses und die vermeintlich zunehmend eingeschränkte Meinungsfreiheit durch linke Gruppen zu debattieren, anstatt sich klar gegen rechte Umtriebe an der Universität selbst zu stellen. Wer den Verlust des angeblich so demokratischen und freien Diskurses der vergangenen Jahrzehnte beklagt, verschweigt dabei aber die Kontinuitäten rechter Ideologien in allen Gesellschaftsteilen ebenso wie den Umstand, dass marginalisierte Gruppen seit jeher von diesem Diskurs ausgeschlossen waren. Den Betroffenen rechter Politik gilt es Gehör zu verschaffen, nicht den geistigen Brandtstifter*innen Echokammern für ihre Hetze zu verschaffen.
Die Uni-Leitung ist sich nicht zu schade, in dieser Gemengelage eine vorgeblich neutrale Position der Mitte zu beschwören. Das ist fatal: Angesichts rechter Hetze kann es kein neutrales Beiseitestehen geben. De facto sind es oftmals eben jene als intolerante Linksextremist*innen verschrienen Menschen, die das Leitbild der Universität, welches sich offiziell gegen "Rassismus, Nationalismus und Antisemitismus" positioniert, als einzige aktiv verteidigen.
Diese Vorfälle an der Uni spiegeln zudem die Strategie der sogenannten 'Neuen Rechten' wider: Mit ihrer Hetze loten sie den Raum des Sagbaren ständig weiter aus, um dann bei jeder Kritik zu relativieren und sich als das eigentlich Opfer eines angeblich linken Mainstreams zu inszenieren. Dem geht leider nicht nur die Leitung der Universität Frankfurt vollständig auf den Leim, sondern ihr Verhalten ist beispielhaft für die bürgerliche ‚Mitte‘ der Gesellschaft.

Konsequent gegen rechte Hetze

Dieser Umgang mit rechten Taten ist trauriger Alltag und die Uni Frankfurt dabei keine Ausnahme. Im Gegenteil: Dieselben Deutungs- und Argumentationsmuster kennen wir mittlerweile aus Talkshows, dem Feuilleton, den sozialen Medien und aus den Parlamenten. Wenn wir aber wirklich etwas gegen den zunehmenden Rechtsruck tun wollen, dürfen weder solche rechten Taten noch die darauffolgende Relativierung hingenommen werden. Rassismus, Sexismus, Queerfeindlichkeit, Antisemitismus und andere rechte Hetze müssen von uns allen als solche benannt und immer wieder aufs Neue skandalisiert werden. Sich ernsthaft mit den Betroffenen rechter Gewalt zu solidarisieren, heißt eben auch, rechten Ideologien deutlich und öffentlich entgegenzutreten. Nur mit einer klaren Absage, mit einem klaren Nein zu sämtlichen menschenfeindlichen Einstellungen können wir den Rechtsruck bekämpfen. Wer abwiegelt, relativiert oder ein ‚klärendes‘ Gespräch mit solchen Hetzer*innen sucht, akzeptiert oder verleugnet auf die eine oder andere Weise, dass die Rechten andere Menschen aufgrund ihrer Herkunft, ihres Aussehens, ihrer Sexualität oder ihres Geschlechts 'jagen' und 'entsorgen', 'absaufen lassen' und einsperren wollen. Nur ein konsequentes, solidarisches und öffentliches Vorgehen gegen solche Positionen kann den Rechtsruck stoppen!

Deshalb fordern wir die Uni auf,
- die Studierendenschaft beim Kampf gegen rechts aktiv zu bestärken, anstatt sie zu behindern,
- Veranstaltungen der O-Woche, die das Zeigen eines Hitlergrußes begünstigen, nicht mehr zu unterstützen
- und sich endlich mit den Betroffenen rechter Gewalt zu solidarisieren.
Rechte Scheiße benennen und bekämpfen - an der Uni, auf der Arbeit, im Viertel, überall!

Interventionistische Linke Frankfurt