»Wir hätten Gewerkschaften gern als Bündnispartner«

Interview mit Ani von der iL

Im folgenden dokumentieren wir ein Interview, das am 25. Oktober 2011 in der Tageszeitung junge Welt erschienen ist. Das Interview führte Gitta Düperthal:

Frankfurts Ordnungsamt will Blockupy-Aktivisten einschüchtern – weitere Proteste werden aber schon vorbereitet. Ein Gespräch mit Ani Dießelmann*

Die Stadt Frankfurt am Main verschickt nun Bußgeldbescheide an Teilnehmer der Proteste gegen die Krisenpolitik während der Aktionstage im Mai – obgleich die Gerichte dem Versuch, letztere zu unterbinden, mehrfach eine Absage erteilten. Wer ist davon betroffen? Und gibt es eine Möglichkeit, dies als rechtswidrig zurückzuweisen?

Die Rote Hilfe in Frankfurt rät allen, die einen Bußgeldbescheid bekommen, binnen zwei Wochen Einspruch einzulegen, um dann gemeinsam dagegen vorzugehen. Diese Kriminalisierungsversuche des Frankfurter Ordnungsamtes sind skandalös: Das Amt hat völlig absurde Sonderrechtszonen eingerichtet, Verbote verhängt, sich in der Stadt überhaupt aufzuhalten, und sie so in den Ausnahmezustand versetzt. All das hat dazu geführt, daß jeder Passant, der in Frankfurt in diesen Tagen auf der Straße war und dessen Personalien aufgenommen wurden, jetzt einen Bußgeldbescheid über 223 Euro erhalten kann. Es geht offenbar darum, einzuschüchtern, damit künftig nicht mehr in der Finanzmetropole gegen die Verarmungspolitik demonstriert wird. Dagegen werden wir uns zur Wehr setzen. Diese erneute und völlig überzogene Reaktion zeigt uns, daß wir richtig lagen, unsere kapitalismuskritischen Proteste hier anzusetzen, im Herzen der Bestie.

Das Blockupy-Bündnis, das am vergangenen Wochenende mit rund 500 Aktivisten in der Frankfurter Innenstadt tagte, hat Solidaritätsaktionen mit den Generalstreiks in Spanien, Griechenland und Portugal am 14. November in Deutschland angekündigt. Was ist geplant?

Wir rufen dazu auf, an diesem Tag bundesweit kreative dezentrale Aktionen zu starten. Das haben wir bei unserem Treffen beschlossen, um die Europäisierung der Proteste voranzubringen. In Berlin sind Vorbereitungen bereits im Gang, für Frankfurt sind eine Demonstration und eine Kundgebung geplant.

Die Gäste aus Spanien, Griechenland, Portugal, Italien hatten bei der Blockupy-Veranstaltung in Frankfurt gefordert, die deutschen DGB-Gewerkschaften müßten endlich in Bewegung kommen. Tut sich da etwas?

Wir hätten die IG Metall, die IG BAU oder die IG BCE gerne als Bündnispartner mit im Boot – auch die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di. Offiziell sind bisher nur ver.di Stuttgart und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Hessen dabei.

Die Basis der Gewerkschaften schließt sich uns immer wieder an. Das haben wir bei der Großdemo mit 30000 Teilnehmern im Mai in Frankfurt gesehen. Es kann nicht sein, daß es den Gewerkschaften egal ist, wenn große Teile der Bevölkerung verarmen. In der Krise dürfen sie nicht im Stillschweigen verharren und nur ihre enge Klientelpolitik betreiben. Möglicherweise gibt es in den Organisationen einen Konflikt zwischen »oben« und »unten«, zwischen dem hauptamtlichen Apparat und der Basis. Dann sollten die Gewerkschafter ihre hierarchische Struktur hinterfragen und sich der internationalen Kritik an ihrem Vorgehen stellen.

Welche Gegenaktivitäten plant Blockupy zur 15. EuroFinanceWeek (EFW) vom 19. bis 23. November, wenn 500 Akteure und 10 000 Besucher aus der Finanz- und Versicherungsindustrie in der Bankenmetropole Frankfurt am Main erwartet werden?

Blockupy Frankfurt und No Troika Rhein-Main rufen für Montag, 19. November, zur Begrüßung auf. Wir wollen zeigen, daß das geplante Zusammenspiel zwischen Regierenden und den Spitzen der Finanzindustrie in der Bevölkerung auf Widerstand stößt. Erwartet werden dort unter anderem Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank, Commerzbank-Chef Martin Blessing, Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (beide CDU).

*Ani Dießelmann ist Sprecherin der Interventionistischen Linken im Blockupy-Bündnis, das sich gegen die europäische Krisenpolitik wendet