Hessliche Zustände

Hessen ist zum Symbol der gesamtdeutschen Zustände geworden: Die Morde von Hanau; das Attentat von Wächtersbach; die Mordserie des „NSU“ und ihre Verstrickungen in die Kasseler Neonazi-Szene, zu der auch Lübcke-Mörder Stephan Ernst gehörte; die Drohungen des „NSU 2.0“ aus dem Ersten Polizeirevier in Frankfurt; die Abschiebungen durch die schwarz-grüne Landesregierung; die Repressionen der Behörden gegen linke Vereine; der alltägliche Rassismus auf dem Amt; die Entscheidungen, rechten Gewalttätern Waffenscheine zu erteilen; die Todesfälle von People of Colour in Haft; die entmenschlichenden Schikanen gegen Menschen, die nicht zu den Profitinteressen von Konzernen passen…

Die Liste ließe sich noch lange fortsetzen und fast täglich aktualisieren. Der vermeintliche „Einzelfall“ ist das Synonym für rechte Netzwerke, die in Polizei, Bundeswehr, Verfassungsschutz, Bundesnachrichtendienst und anderen Behörden aktiv sind.

Hessen voller Einzelfälle

Anfang des Jahres 2021 verurteilte das Oberlandesgericht in Frankfurt am Main den Neonazi Stephan Ernst, ließ Mittäter und Verbindungen in die rechtsterroristische Szene aber unangetastet. Im Mai steht der Offenbacher Soldat Franco Albrecht vor demselben Gericht, weil er Anschläge geplant hatte. Jedoch sind rechte Netzwerke wie Uniter und munitionshordende Bundeswehr-Nazis bisher mit lächerlichen Urteilen davongekommen. Sie stellen eine reale Gefahr dar und werden flankiert vom Phänomen des bewaffneten rassistischen ‚Normal-Almans‘, der sich zur Tat berufen fühlt. All das zeigt: Auf Gerichte und Behörden können wir uns im Kampf gegen Rassismus und faschistischen Terror nicht verlassen. Wir wollen nicht nur weiter „Einzelfälle“ zu Protokoll nehmen, sondern es muss Konsequenzen haben, Nazi zu sein.

Hessens Polizisten? Chatten mit Faschisten!

Die Polizei, und das zeigt sich in Hessen ganz besonders, war noch nie ein Garant für Sicherheit und Demokratie. Sie steht viel eher dafür, unsere Straßen und Plätze unsicher zu machen und jedes demokratische Begehren niederzuknüppeln. Die Polizei ist ohnehin schon ein strukturell rassistischer und männerbündischer Verein, der für die gewaltsame Verteidigung von Macht- und Eigentumsverhältnissen eintritt. Dass mit ihnen kein Frieden zu machen ist, zeigt sich nicht nur auf der Straße, an ihrem Sexismus und an ihren rassistischen Kontrollen, sondern auch an ihrem Corpsgeist, mit dem sie rechte Netzwerke bilden und sich gegenseitig dabei decken.

Aber wir haben keine Angst vor euch, wir sind nur noch wütend.


(K-)Ein Ende der Gewalt – Wir fordern Konsequenzen!

Gleichzeitig inszeniert sich Hessen als liberales Bundesland: Schließlich will ja niemand offiziell Nazis in den Behörden haben. Zudem hat sich der gesamtgesellschaftliche Diskurs in Folge erfolgreicher migrantischer und antirassistischer Kämpfer verschoben. Den Opfern rassistischer Gewalt werden, anders als noch vor einigen Jahren, offizielle Beileidsbekundungen ausgesprochen und Gedenkveranstaltungen organisiert. Im Unterschied zu den Morden des NSU musste in Hanau nicht um die Zugehörigkeit der Opfer zur Gesellschaft gestritten werden. Das ist wichtig und richtig – und ist trotzdem nur ein Feigenblatt für die alltägliche Menschenverachtung.

Die hesslichen Zustände müssen Konsequenzen haben. Und offensichtlich müssen wir sie selbst ziehen, denn nicht erst seit gestern wissen wir, dass wir uns auf die Behörden im antifaschistischen Kampf nicht verlassen können.


Die AfD als Scharnier

Die AfD nimmt bei all diesen „Einzelfällen“ eine Scharnierfunktion ein: Im Fall von Franco Albrecht unmittelbar und personell, da sein Komplize Maximilian Tischler für den hessischen AfD-Bundestagsabgeordneten Jan Nolte arbeitet. Und im Fall von radikalisierten Waffenbesitzern als geistige Brandstifter*innen, die den Nährboden schaffen. Der Attentäter von Hanau sah sich ein Video von Björn Hocke an, kurz bevor er in Hanau neun Menschen ermordete. Die Kämpfe gegen Nazi-Netzwerke und die AfD sind also unmittelbar verbunden. Wer die hessische AfD wählt, wählt Rechtsterrorismus. Die AfD hat mitgeschossen.

Wer hat alles mitgeschossen?

Gleichzeitig ist klar, dass rechtes Gedankengut nicht bei der AfD Halt macht, dass die Stabilität rechter Netzwerke und das Verharmlosen von rechter Gewalt nur zu verstehen ist, wenn der Blick auf den gesamtgesellschaftlichen Rassismus gerichtet wird. Die rassistische Kampagne von Teilen der Presse und Politik gegen Shisha Bars war mitverantwortlich dafür, dass in Hanau neun Menschen ermordet wurden. Und nicht zuletzt funktioniert die tödliche Abschottungspolitik der EU ganz ohne eine Regierungsbeteiligung der AfD.

Was also tun? Entnazifizieren!

Wir wissen, wir spannen einen großen Bogen. Aber die Zusammenhänge liegen auf der Hand. Es ist an uns, unsere Ohnmacht und Trauer in Wut zu verwandeln, es ist an uns, Konsequenzen zu ziehen. Sonst wird es niemand tun.

Wir wollen, dass jede Institution zur Entnazifizierung gezwungen wird.

Wir wollen, dass es zum Risiko wird, Nazi zu sein.

Wir wollen, dass die AfD bei der Bundestagswahl verliert, dass sie ausgegrenzt wird für die Worte, die zu Taten wurden.

Wir wollen, dass die Bullen erkannt werden als das, was sie sind: eine Gefahr für eine offene Gesellschaft und für viel zu viele von uns.

Wir werden den Faschist*innen die Straßen, Schulen und Betriebe nicht überlassen. Wir wollen, dass die Angst die Seiten wechselt.

Antira/Antifa-AG der [iL*]-Frankfurt