Recht auf Schwangerschaftsabbruch!
Weltweit fordern Frauen für sich das Recht, selbst zu entscheiden, ob sie Kinder wollen, wann sie Kinder wollen und wie viele Kinder sie wollen. Dazu gehört auch das Recht auf Schwangerschaftsabbruch. Restriktive Abtreibungsgesetze sind Teil der Gewaltkultur gegenüber Frauen und Ausdruck frauenverachtender Verhältnisse. Sie sind Teil bevölkerungspolitischer Herrschaftsinstrumente.
Unabhängig davon ist längst bekannt, dass mit Abtreibungsverboten und Kriminalisierung von Frauen, die sich für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden, keine Abtreibung verhindert werden kann, sondern nur das Leben und die Gesundheit von Frauen aufs Spiel gesetzt wird. Der Kampf um Selbstbestimmung und reproduktive Gerechtigkeit ist deshalb in den letzten Jahren erneut zu einem zentralen Anliegen der feministischen Bewegung rund um den Globus geworden. Erinnert sei z.B. an die Massenbewegungen in Irland, Polen, Spanien und Argentinien.
BRD: §218 StGB – Ausdruck staatlicher Bevormundung und Frauenunterdrückung
Mittlerweile besteht der §218, mit dem ein Schwangerschaftsabbruch auch in der BRD nach wie vor grundsätzlich verboten ist, seit über 150 Jahren. Er wurde am 15.5.1871 ins Reichsstrafgesetzbuch aufgenommen. Schwangerschaftsabbruch galt als Verbrechen und wurde mit Zuchthaus bestraft. Seit dieser Zeit besteht auch der Kampf für die Abschaffung dieses Schandparagraphen. Dabei ging und geht es beim §218 nicht einfach nur um den Schwangerschaftsabbruch selbst, sondern darum, wer letztlich über die Gebärfähigkeit der Frauen entscheidet: Die Herrschenden mit ihren bevölkerungspolitischen und frauenbevormundenden Interessen oder die Frauen selbst. Der Kampf um den Zugriff auf die menschliche Reproduktion ist zugleich ein Kampf um gesellschaftliche Machtverhältnisse. Frauen stehen in dieser Auseinandersetzung an vorderster Front – gleichzeitig als Opfer und Akteurinnen.
Für die ersatzlose Streichung des §218 mobilisierte in der Weimarer Zeit schon die kommunistische Frauenbewegung und später die autonome Frauen-bewegung ab den 70er-Jahren. Die KPD forderte die Aufhebung des Abtreibungsparagraphen und völlige Straffreiheit. Die Forderungen wurden von einer Massenbewegung auf die Straße getragen. Die „neue“ Frauenbewegung schaffte es in den 70er- und 80er-Jahren erneut die Abtreibungsfrage auf die Tagesordnung zu bringen und die Frauen zu mobilisieren. Dabei war klar, dass nur mit der ersatzlosen Streichung des §218 sichergestellt werden kann, dass betroffene Frauen nicht länger kriminalisiert und ihre Lebensentscheidung und –perspektive von den Moralvorstellungen und der Willkür von Richtern, Staatsanwälten, Kirchenmännern, konservativen Ärzten und Politikern abhängig gemacht werden. Letztlich wurde zwar eine Liberalisierung für die Frauen in Westdeutschland erreicht, die alte Grundposition, Schwangerschaftsabbruch als Unrecht zu qualifizieren und Frauen die Entscheidungsfreiheit abzusprechen, wurde dadurch aber nicht aufgehoben.
Der Kampf gegen den §218 ist nach wie vor ein zentraler Punkt in der Geschlechterauseinandersetzung, denn er geht weit über die Abtreibungsfrage hinaus. Es geht u.a. um die gesellschaftliche Rolle, die uns Frauen zugedacht wird. Die Abtreibungsgesetzgebung ist außerdem Einfallstor für staatliche Frauenentmündigung und Ausdruck bevölkerungspolitischer Maßnahmen. Für all jene, die ein rückwärtsgewandtes und reaktionäres Frauenbild propagieren, gehört die Forderung nach einer weiteren Verschärfung der Abtreibungsgesetze zum Programm.
Die Dreieinigkeit: Antifeminismus, Nationalismus und Rassismus
Rechte Abtreibungsgegner sind auf dem Vormarsch. Ihr Frauenbild ist verbunden mit einer Kampfansage an alle emanzipatorischen Vorstellungen von Frauenleben, wirklicher Gleichberechtigung und der Vielfalt der Lebensformen. Sie stellen sich eine Gesellschaft vor, in der alle feministisch erkämpften Errungenschaften der letzten Jahrzehnte wieder zurückgenommen werden. Der Antifeminismus der Rechten, ob in der BRD, in Polen, Brasilien oder den USA, ist eng verknüpft mit Rassismus und Nationalismus und bedingt und verstärkt sich gegenseitig. Da wird von „Überfremdung“, Auslöschen der „deutschen Identität“ und „Aussterben des deutschen Volkes“ geschwafelt und gegen Geflüchtete und Menschen mit dunkler Hautfarbe gehetzt. Dies führt dann zur Forderung an die „deutsche Frau“, ihren Dienst am Vaterland zu leisten und mehr Kinder zu bekommen. Radikale religiös-fundamentalistische „Lebensschutz-gruppen“ blockieren Beratungsstellen und greifen Frauen und ÄrztInnen körperlich an und schrecken, wie in den USA, auch vor Mord nicht zurück. Frauen, die sich für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden, werden als Mörderinnen diffamiert. Gegen den angeblichen „Kinderholocaust“ wird dann jeden September in Berlin und Köln der sogenannte „Marsch für das Leben“ organisiert, an dem in trauter Einigkeit Nazis, „Lebensschützergruppen“, rechte katholische Kirchenkreise und Mitglieder von AfD bis zur CDU marschieren.
Auch in feministischen Kreisen wird immer mal wieder diskutiert, ob die rechten Frauenfeinde tatsächlich ernst zu nehmen sind. Sie sind es! Ein Beispiel ist u.a. die Ausnutzung des endlich abgeschafften §219a StGB. Es gehörte nach Einführung der Indikationslösung von Anfang an zur Strategie rechter politischer und religiöser Gruppen, die Liberalisierung über den Angriff auf ÄrztInnen und Beratungsstellen auszuhebeln. Neben Öffentlichkeitskampagnen gegen die „Morde im Mutterleib“ gehörten Strafanzeigen gegen ÄrztInnen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, zum Standardprogramm. Immer weniger ÄrztInnen sind außerdem zwischenzeitlich bereit, einen Schwangerschaftsabbruch durchzuführen. In vielen Krankenhäusern, wie z.B. auch im Städtischen Klinikum in Karlsruhe werden keine Schwangerschaftsabbrüche in der 3-Monatsfrist mit Zwangsberatung durchgeführt. Dies führt in einigen Gegenden in der BRD dazu, dass ein notwendiges Angebot der Frauengesundheit, ein Zugang zu schonenden Abtreibungsmöglichkeiten, nicht mehr zur Verfügung steht. Oftmals gehören diese nicht mal zur medizinischen Ausbildung dazu oder werden äußerst knapp behandelt.
Ein neuer Anlauf ist nötig
Die Bewegung gegen den §218 StGB muss die derzeitige defensive Position überwinden. Vielfach wird lediglich eine Streichung aus dem Strafgesetzbuch gefordert. Diese eingeschränkte Forderung lässt letztlich die Möglichkeit offen, Vorschriften zum Schwanger-schaftsabbruch in einem gesonderten Gesetz mit Straf-androhungen zu verbinden. Dies wäre dann nur eine formale, keine tatsächliche Änderung. Auch die Streichung des §219a hat an der grundsätzlichen frauenfeindlichen Gesetzesbestimmung der grundsätzlichen Rechtswidrigkeit von Schwangerschaftsabbrüchen nichts geändert. Es kann nicht nur darum gehen weitere Verschlechterungen im Hinblick auf Kriminalisierung von ÄrztInnen und Einschränkung des Angebots zu verhindern! Wir benötigen eine breite Kampagne für reproduktive Rechte und reproduktive Gerechtigkeit. Dabei geht es u.a. auch darum, die verdrängte Bedeutung von Abtreibungs-verboten für die Unterdrückung der Frauen wieder ins Bewusstsein zu rufen. Das Abtreibungsverbot macht Abtreibung und Geburt zu patriarchal kontrollierten Zwängen, zu Verboten und Geboten. Solange sich Frauen nicht ohne Einschränkung und Bevormundung für einen Abbruch entscheiden können, wird es auch keine völlig frei gewählte Mutterschaft geben. Dieser Zusammenhang berührt uns alle unabhängig von unserer individuellen Entscheidung in der Kinderfrage.
Die Forderung nach Aufhebung von Abtreibungsverboten allein bleibt jedoch viel zu abstrakt und greift im Sinne tatsächlicher Frauenemanzipation zu kurz. Selbst mit der ersatzlosen Streichung des §218 StGB und Schaffung ausreichender Angebote und Zugangsmöglichkeiten zu besten möglichen ärztlichen Behandlungen würden sich zwar die Bedingungen für einen Schwangerschafts-abbruch verbessern, aber noch nicht die konkreten Lebensbedingungen und die Entscheidungsgrundlagen für ein Leben mit oder ohne Kinder. Wirkliche Entscheidungsfreiheit setzt auch die soziale Frage auf die Tagesordnung. Im Kontext reproduktiver Unterdrückung müssen auch durch Rassismus bedingte und klassenbedingte Ungerechtigkeiten analysiert und aufgegriffen werden, ebenso die Lage der Frauen des globalen Südens und der Frauen in den Communities of Color. Wirkliche Entscheidungsfreiheit für oder gegen Mutterschaft setzt auch soziale Sicherheit und eine Gesellschaft ohne patriarchale und soziale Unter-drückung voraus. Unser Kampf muss deshalb gleichzeitig mit einem politischen Ansatz verbunden werden, der darauf abzielt, die Bedingungen zu überwinden unter denen Sexualität und Mutterschaft im Interesse von Kapital und Patriarchat funktionalisiert werden.
Wir müssen uns den Feminismus als kollektive Handlungsoption neu aneignen. Es geht nicht nur darum in einzelnen Bereichen Verbesserungen zu erreichen, nicht um Gleichheit in der Ungleichheit im herrschenden System, sondern um Organisierung von Protest und Widerstand der auf Befreiung zielt, uns aus der Fremdbestimmung befreit und ein gutes selbstbestimmtes Leben für alle ermöglicht. In diesem Sinne wollen wir dazu beitragen, die Bewegung für die ersatzlose Streichung des §218 StGB zu stärken und inhaltlich zu erweitern. Über 150 Jahre §218 sind ein Skandal, den wir endlich beenden müssen.
Unterstützt und teilt die Kampagne
„Abtreibung Legalisieren - jetzt!“
Website: abtreibung-legalisieren.de; Instagram: @abtreibung_legalisieren; X: @AbtreibungLegal
Abtreibung legalisieren - jetzt!
Lasst uns den Kampf neu beginnen!