Das Positionspapier der IL Mitgliedsgruppe wurde zuerst auf der isl-Homepage veröffentlicht.
Die Überwindung der kapitalistischen Produktionsweise und die Entwicklung einer wirklich demokratischen Gesellschaft ist nur auf revolutionärem Weg möglich. Eine Revolution ist ein Prozess, in dem die Lohnabhängigen als übergroßer Teil der Bevölkerung die ökonomische und politische Mach übernehmen, als revolutionären Bruch die Macht des kapitalistischen Staatsapparates durch neue Institutionen der 'Macht von unten' ersetzen und sozialistische Maßnahmen durchführen. Es ist ein Prozess der breitesten Selbstorganisation und Selbsttätigkeit.
Als revolutionäre MarxistInnen gehen wir davon aus, dass es ohne revolutionäre Organisationen keine erfolgreiche Revolution geben kann. Deshalb ist es unser Ziel eine revolutionäre Partei zu schaffen. Darunter verstehen wir allerdings nicht nur eine politische Organisation mit revolutionärem Programm, sondern eine Partei, die die wirkliche Vorhut unseres Landes, die aktivsten, kämpferischsten und aus sozialistischer Perspektive fortschrittlichsten Teile der Bevölkerung organisiert. Revolutionär bedeutet für uns außerdem nicht nur mit dem bestehenden bürgerlichen Staatsapparaten zu brechen, sondern die Beförderung und Privilegierung der Selbsttätigkeit der Menschen in allen Bereichen zu fördern. Darüber hinaus verbinden sich für die isl mit einem revolutionären Selbstverständnis unverzichtbar auch bestimmte Inhalte wie sozialistische Demokratie, Internationalismus, Abkehr vom kapitalistischen Wachstumszwang in ökosozialistischer Perspektive und die radikale Umverteilung der Arbeit in der Weise, dass die Reproduktionsarbeit auf alle Schultern gleichmäßig verteilt wird und die Führung der Geschäfte des Gemeinwesens tatsächlich von jedem und jeder erledigt werden kann.
In einer Zeit, in der die alten sozialen und politischen Klassenkompromisse, die für den Spätkapitalismus charakteristisch waren, längst aufgekündigt sind; in der die kapitalistische Ausbeutung intensiver und die soziale Ungleichheit größer wird; in der in Folge dessen soziale Ausgrenzung und Marginalisierung wachsen; in der die Hegemonie der linksreformerischen Sozialdemokratie innerhalb der ArbeiterInnenbewegung zumindest deutlich in Frage gestellt wird - in einer solchen Zeit stellt sich in der Tat die Frage, eine politische Kraft wirkungsmächtig zu machen, die eine klare Alternative zur herrschenden Politik und zum Kapitalismus aufzeigt - diese Alternative kann nur eine antikapitalistische, internationalistische, feministische und ökologische sein.
Wir teilen inhaltlich die innerhalb der NaO-Debatte entwickelten fünf Essentials ("revolutionärer Bruch, keine Mitverantwortung für die kapitalistische Krise, Klassenorientierung, Einheitsfront, Minimum an organisatorischer Verbindlichkeit") insofern sie sich für einen politischen Weg aussprechen, der die soziale Frage in den Mittelpunkt stellt, sich an den Bedürfnissen der großen Mehrheit der Bevölkerung orientiert und keine faulen Kompromisse mit politischen Kräften macht, deren Tagespolitik nicht die Abschaffung des Mensch und Natur zerstörenden Kapitalismus, sondern dessen Fortbestand in wie reformierter Form auch immer zum Ziel hat.
Vor diesem Hintergrund begrüßen wir den NaO-Prozess als einen Fortschritt, da er versucht die Zersplitterung und Marginalisierung der radikalen Linken zu überwinden. Angesichts des Standes des Klassenbewusstseins, der Selbsttätigkeit und der Selbstorganisation der Lohnabhängigen sowie des Zustandes der radikaleren Strömungen der Linken, reicht eine reine Umgruppierung marginalisierter revolutionärer Gruppen allerdings weder aus, um antikapitalistische Politik gesellschaftlich relevant zu machen, noch um die Selbstorganisation, Selbsttätigkeit und das Klassenbewusstsein der Lohnabhängigen zu fördern. Unseres Erachtens ist es vielmehr unerlässlich eine politische Organisation um den Pol eines 'kämpferischen Antikapitalismus' zu schaffen. Sie muss auch Kräfte umfassen, die kein revolutionäres Selbstverständnis haben.
Die Verständigung über den Weg zur Abschaffung des Kapitalismus steht auf zwei Beinen, die zusammengehören und nicht auseinander gerissen werden dürfen: Der Ausbruch aus dem alltäglichen kapitalistischen Irrsinn, die Selbsttätigkeit der Massen und der Bruch mit den Grundpfeilern des kapitalistischen Produktions- und Herrschaftssystems ist das Eine, darauf muss im Hier und Jetzt organisiert hingearbeitet werden, denn sonst ist es im Augenblick einer revolutionären Krise nicht verfügbar. Das Andere ist, dass wir uns mit dieser Selbstverständigung nicht zufrieden geben dürfen, sonst bleiben wir unter uns.
Die möglichst breite Sammlung antikapitalistischer Kräfte ist die notwendige Voraussetzung, damit revolutionäre Vorstellungen überhaupt auf einen fruchtbaren Boden fallen können. Die isl tritt daher dafür ein, dass die NaO ein Sammlungsprojekt aller antikapitalistischer Kräfte wird, die mit uns das Ziel teilen, die kapitalistische Produktionsweise durch eine sozialistische Demokratie zu ersetzen. 'Öffnungs-' und 'Schließungsprozesse' gegenüber verschiedenen Strömungen der antikapitalistischen Linken sind immer relativ. Grenzen lassen sich unseres Erachtens nicht von vornherein entlang eines theoretisch definierten Ausmaßes an 'Radikalität' oder 'Revolutionärheit', sondern nur anhand konkreter politischer Diskussionen und Konflikte ziehen, im Zuge derer sich Übereinstimmungen und Meinungsverschiedenheiten, gemeinsame Handlungsmöglichkeiten oder gegenseitige Handlungsblockaden zeigen.
Die für die Bundesrepublik bedeutendste Sammlung antikapitalistischer Kräfte findet sich heute in der Linkspartei. Die isl arbeitet in ihr mit, weil sie für viele sich radikalisierende Kräfte die erste Anlaufstelle ist. Wir halten jede Vorstellung, diese Etappe ließe sich überspringen, die Nichtwähler seien mit "radikaleren Positionen" besser ansprechbar, oder gar: die Linkspartei habe sich im Westen nun erledigt, für irreal. Im Gegenteil: Es ist wichtig einen handlungsfähigen antikapitalistischen Flügel innerhalb der Partei zu schaffen, und so den Aufbau einer kämpferischen sozialistischen Partei zu unterstützen. Die stärkere Zusammenarbeit der antikapitalistischen Kräfte in der Linkspartei ist eine Voraussetzung dafür, dass sie innerparteilich an Statur und Gewicht gewinnt. Die isl sieht dieses Engagement nicht im Widerspruch zum NAO-Prozess, sondern arbeitet im Gegenteil auf eine engere Zusammenarbeit der antikapitalistischen Kräfte innerhalb und außerhalb der Linkspartei hin.
Die isl begleitet seit einiger Zeit auch den Organisationsprozess der IL. Wir haben das Bestreben, auch hier das Zirkelwesen zu überwinden und zu einer gemeinsamen handlungsfähigen Organisation zu kommen, von Anfang an begrüßt und an manchen Diskussionen dazu teilgenommen. Über die Rolle von Beobachtern sind wir dabei bisher nicht hinaus gekommen. Gründe dafür sind auch, dass Tradition und Kultur der IL sich von der unseren stärker unterscheiden und die gemeinsamen politischen Schnittmengen kleiner sind als mit Strömungen in der Linkspartei oder Organisationen im NAO-Prozess. Dennoch: Die isl wird sich auch weiterhin am Organisationsprozess der IL beteiligen und sich in die Debatte einbringen, wo dies sinnvoll und möglich ist.
In diesem Sinne beteiligt sich die isl am NAO-Prozess. Konkret möglichst an der Griechenlandsolidarität, an der Sommerdebatte, an gemeinschaftlicher Bildungsarbeit, am Widerstand gegen die bürgerliche Krisenpolitik. Für alle Beteiligten wird die für Februar 2013 anvisierte Konferenz Gelegenheit bieten, eine erste Bilanz zu ziehen und das eigene Engagement zu präzisieren.
Beschlossen in Köln, 17. Juni 2012