Das Interview erschien in der Tagesdzeitung junge Welt vom 22.12.2015 und ist online verfügbar.
Die Alternative für Deutschland, AfD, macht mit ihren internem Streit von sich reden. Aber auch unter den Organisatoren der Proteste gegen den Bundesparteitag dieser Gruppierung Ende November in Hannover rumort es. Die Chefs von SPD und DGB halten die Kritik an der Regierung und SPD-Oberbürgermeister Stefan Schostok in verschiedenen Beiträgen für unerträglich …
Sie war keineswegs falsch und hatte auch das richtige Maß. Beim Kampf gegen die AfD darf nicht vergessen werden, dass sich Nationalismus nicht nur dort findet, sondern auch in der Politik der Bundesregierung. Bei einem Bündnis mit bürgerlichen Parteien existiert immer ein Spannungsverhältnis. Trotz gemeinsamer Aktionen ist es notwendig, auch deren praktische Politik zu kritisieren. Interessanterweise haben die SPD- und DGB-Oberen das Vorgehen der rot-grünen Landesregierung oder der großen Koalition in Berlin auch gar nicht zu verteidigen versucht. Oberbürgermeister Schostok hat erklärt, es gehe »nicht um Parteien, sondern um Parolen«. Wir meinen, es geht aber auch um die ganz reale Politik.
Der SPD-Stadtverbandschef Alptekin Kirci bezeichnete die Vertreter des antifaschistischen Blocks als »politische Naseweise, die noch in die Windeln machen«. Was antworten Sie darauf?
Kirci war Teil des Bündnisses, also auch für gemeinsame Aktionen, trotz der bekanntermaßen unterschiedlichen Sichtweisen. Deshalb sind wir erstaunt über diese Diffamierung. Kircis Ausbrüche hatten letztlich den ungewollten Nebeneffekt, allen zu verdeutlichen, dass es eine linke Kritik an der Flüchtlingspolitik der Bundesregierung gibt. Da kann man dem SPD-Chef fast schon dankbar sein. Im übrigen kommt die Kritik nicht nur von Linksradikalen, sondern auch von den Jusos, der Grünen Jugend und den Jugendgruppen der Gewerkschaften ver. di und IG Metall.
Wie kann den Rechtspopulisten der AfD das Wasser abgegraben werden?
Ihr Nährboden sind die reaktionären Forderungen aus der Mitte der Gesellschaft, die schon lange da sind. Wichtig ist es, die Normalisierung dieses Vereins zu verhindern. Bisher wurden die Vorstellungen der AfD in den etablierten Parteien vertreten, durch Thilo Sarrazin in der SPD, die Nationalliberalen in der FDP und die Stahlhelm-Fraktion von CDU/CSU. Man muss die AfD tabuisieren und dafür sorgen, dass Petrys Partei nicht salon- und koalitionsfähig wird. Die Gefahr besteht, wenn sie sich vier bis acht Jahre in den Parlamenten hält.
Sind zur Bekämpfung der Rechten nicht auch antikapitalistische Alternativen auf sozialer Ebene nötig?
Es muss auch gelingen, in bezug auf die realen Ängste und Spaltungen in der Gesellschaft linke Antworten zu liefern, indem gleiche Rechte für alle gefordert werden und keine Privilegien für bestimmte Gruppen. Nicht nur Widerstand gegen die Kasernierung von Flüchtlingen, sondern auch Kampf um guten, bezahlbaren Wohnraum für alle. Die Gesundheitsversorgung und ganze Sektoren der Gesellschaft müssen dem Markt entzogen werden. Das ist noch nicht systemsprengend, weist aber zumindest mal in eine andere Richtung.
Für radikale Linke muss es darum gehen, die Kämpfe miteinander zu verbinden. Das sollte auch der Ansatz für die Weiterentwicklung von Blockupy sein.
DGB-Regionsgeschäftsführer Reiner Eifler verkündete in der Lokalpresse, dass sich »das Bündnis künftig anders zusammensetzen könnte und die Linksautonomen eigene Wege gehen«. Sehen Sie das auch so?
Wir sind weiterhin der Überzeugung, dass es gegen die reaktionären Teile des politischen Spektrums breite Bündnisse geben sollte. Damit haben wir unter anderem gegen den örtlichen Pegida-Ableger »Hagida« Erfolg gehabt. Wie es weitergeht, wird das nächste Treffen zeigen. Solche Bündnisse wie in Hannover sind bundesweit ja nicht die Regel. Gegen den AfD-Parteitag war die gemeinsame Aktion am Ort des Geschehens auch nur möglich, weil kein Sturm und keine Blockade geplant waren. Das inhaltliche Spannungsverhältnis wird sicherlich weiter bestehen, denn »Bunt statt braun« reicht uns als Basis nicht aus.