Die interventionistische Linke ruft auf: Frauen*- und Queers-Streik

Ein Gespenst geht um: von Argentinien bis Indien, von Nigeria bis Spanien, von Thailand bis Polen. Von Jahr zu Jahr wächst die feministische Bewegung an und gewinnt an Kraft. Ihr gewähltes Instrument ist der Streik. Der Frauen* streik in Spanien am 8. März 2018 wurde zum größten Streik in der Geschichte Europas. Schon in 53 Ländern gibt es Frauen*streik-Bewegungen. 2019 geht der transnationale Frauen* - und Queers-Streik am 8. März, dem internationalen Frauen* kampftag, in die nächste Runde. Seit Monaten planen wir auch in Deutschland im Rahmen eines Netzwerks aus hunderten Frauen* und Queers den feministischen Streik. Wir werden an diesem Tag die uns auferlegten Rollen und Aufgaben verweigern und das patriarchale System sabotieren. Wir lassen uns nicht länger ausbeuten! Wir streiken - am 8. März 2019 und darüber hinaus!

Den patriarchalen Kapitalismus bestreiken

Gründe zum Streiken gibt es mehr als genug: Nach wie vor verrichten FLTI* den Großteil der unbezahlten oder gering bezahlten Sorge- und Hausarbeit, oft unter prekären und unsicheren Bedingungen. Insbesondere migrantische FLTI* of Color müssen die durch neoliberale Kürzungspolitiken entstehenden Versorgungslücken mit ihrer Mehrarbeit schließen. Diese Verhältnisse bleiben unsichtbar, daraus speist sich der Kapitalismus.
Darüber hinaus stehen wichtige politische Errungenschaften der letzten Jahre durch den erstarkenden Antifeminismus und Hetero- und Cissexismus der “Neuen Rechten" unter Beschuss. Besonders angegriffen werden: die Rechte von Frauen*, Lesben, Trans*, Inter* Personen. Das zeigt sich in den Bereichen der Antidiskriminierungs- und Gleichstellungspolitik, der Verankerung der Gender Studies in den Universitäten und der körperlichen Selbstbestimmung z.B. in Form von legalisierten Schwangerschaftsabbrüchen.

Weltweit steigt die Gewalt an Frauen* und queeren Menschen. In Südamerika gehen seit einigen Jahren hunderttausende FLTI*'s gegen Feminizide und sexistische Gewalt auf die Straße. Belästigungen und Übergriffe sind aber auch in Deutschland die traurige Normalität: Im Jahr 2017 sind in Deutschland 147 Frauen* durch ihren aktuellen oder ehemaligen Partner umgebracht worden. Die zahlreichen gewalttätigen Übergriffe auf Trans*-Personen und Queers werden nicht dokumentiert. Ganz zu schweigen von der strukturellen Diskriminierung und Bevormundung von Trans*, Inter* und nicht binären Menschen. Es stehen weiterhin dringend aus: das Verbot von geschlechtszuweisenden, medizinischen Eingriffen bei intersexuellen Kleinkindern ohne deren Zustimmung; die Abschaffung der diskriminierenden Gutachtenpflichten für trans* Personen (geregelt im sog. TSG). und die Schaffung von Gesetzen die einen selbstbestimmten Umgang mit Personenbezeichnungen ermöglichen. Zudem gehört das Prostituiertenschutzgesetz abgeschafft, welches die Lebens- und Arbeitsbedingungen von Sex- Arbeiter* innen massiv verschlechtert und deren Forderungen ignoriert.

Wir sagen Schluss mit Gewalt, Ausbeutung, Diskriminierung und Bevormundung! Wir treten in den Streik!

Den politischen Streik zurückerobern

"Wenn wir streiken, steht die Welt still", riefen die streikenden Spanier*innen im vorherigen Jahr von der 8M-Bewegung. Um Gesellschaft neu zu denken, drücken wir für einen Moment die Stopptaste. Weil manche Dinge erst sichtbar werden, wenn sie nicht mehr gemacht werden, heißt Streik für uns: Verweigerung! Wir machen Feminismus zur DER Kampfansage gegen autoritäre Regime, Rassismus und Rechtspopulismus! Weil die Arbeiten, die wir Frauen* und Queers alltäglich verrichten, vielfältig sind, wird auch unser Streik vielfältig sein: Wir bestreiken nicht nur unsere Lohnarbeit, sondern die patriarchalen Strukturen in Bereichen wie unentlohnte Pflege-Arbeit, emotionale Arbeit, Haushalt, hetero- und cisnormative Geschlechterrollen, Schönheitsideale, Vereinzelung und Konkurrenzverhältnisse.
So wollen wir am 8. März den Alltag stören, wenn möglich auch lahmlegen. Ein solcher Streik, der alle Lebensbereiche betrifft, soll weh tun! Denn die Realität verletzt uns und wir sind nicht länger bereit das hinzunehmen! Der Streik ist die nächste Stufe der Eskalation.

Feministischer Streik heißt: Mit gesellschaftlichen Zwängen brechen, es sich gut gehen lassen. Wir werden all die Zeit, die wir sonst mit unbezahlter und unsichtbar gemachter Arbeit verbringen, anders nutzen - um uns zu vernetzen, um Ideen für eine bessere Gesellschaft auszutauschen, Widerstand zu leisten oder einfach mal zu chillen.
2019 ist nur der Anfang einer langen und massenhaften feministischen Bewegung.

Feministische Strukturen schaffen

Wir werden uns in den nächsten Wochen, Monaten und Jahren organsieren und linksradikale, feministische (FLTI*-)Netzwerke in nie dageweseneer Größe und Stärke aufbauen. Die Art und Weise unserer Organisierung ist dabei eine wichtige Basis für die Ziele die wir erreichen wollen. Unsere zukünftigen Strukturen müssen sich mit den Verschränkungen verschiedener Diskriminierungsformen auseinandersetzen, Barrieren und Hierarchien abbauen und Menschen milieuübergreifend ansprechen und einbinden. Mit Kommunikations- und Handlungsweisen, die auf füreinander da sein (care!), Achtsamkeit und wertschätzendem Umgang (anstatt auf Konkurrenz) beruhen, kämpfen wir gegen ökonomischen und politischen Leistungszwang. Feministische Organisierung betrachtet und nutzt Erfahrungen der Kämpfe aus unterschiedlichen Generationen und Kontexten als notwendige Grundlage und wertvolle Inspirationsquelle für aktuelle und kommende Herausforderungen. Der Feminismus schafft Räume für eine neue utopische, politische Praxis für vielfältige, queere Lebensweisen, die patriarchale Normen unterwandern und mit ihnen brechen.

Die Vernetzungsstrukturen, die in Ostdeutschland im Vorfeld des Streiks entstehen, bilden ein wichtiges/ernstzunehmendes Gegengewicht zur rechten Infrastruktur. Wir werden den Kampf gegen rechte Weltbilder stärken und – auch mit Blick auf die Landtagswahlen 2019 - einen feministischen Gesellschaftsentwurf für ein solidarisches Miteinander voranbringen.

Die Utopie ins Jetzt holen

Wir, linksradikale Feminist*innen und FLTI*s haben mit diesem Streik die Möglichkeit, der ganzen Gesamtscheiße unsere Vorstellung von Gesellschaft entgegenzusetzen: eine Gesellschaft ohne Kapitalismus, ohne Herrschaft und Ausbeutung, ohne Gewalt und stukturelle Diskriminierung. Eine Gesellschaft, die auf Selbst- und Mitbestimmung und praktischer Solidarität basiert, in der vielfältige Beziehungs-, Lebens- und (Re-)produktionsweisen möglich sind. Eine Zukunft, nicht möglich ohne intersektionalen Feminismus.
Wir werden den 8. März 2019 mit vielfältigen Protestformen gestalten und für uns nutzen: Ob mit einer Demo, einem Vernetzungs-Frühstück, einer Info-Veranstaltung am Arbeitsplatz, der Umgestaltung öffentlichen Raumes, Blockaden, Betriebsversammlungen, kämpferischen Mittagspausen, Ausschlafen und krank feiern, Blumen und Pralinen verweigern, Menschen die nicht streiken können am Arbeitsplatz einladen Pause zu machen (z.B, an der Kasse zum Tee trinken einladen), Uni und Schule schwänzen, alternative Streikveranstaltungen in den Unis organisieren, Transpis raus hängen, Kunstaktionen an öffentlichen Orten organisieren...
Um zu zeigen, was alles stillsteht, wenn wir nicht mehr arbeiten rufen wir euch dazu auf euch um 5 vor 12 gemeinsam mit uns für mehrere Minuten hinzusetzen. Setzt euch hin, wo auch immer ihr sied - auf Plätzen, an Straßenkreuzungen, in euren Wohnungen oder im Büro.
Wir sind wütend und haben keine Lust mehr gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Und weil wir wütend sind, werden wir schreien. Wir rufen euch auf am globalen Aufschrei um 17.00 mitzumachen und eine Minute gemeinsam laut zu sein. Sie sollen unsere Wut zu hören bekommen!

Wir stehen aber gerade nicht nur vor einem einzelnen Streiktag, sondern am Anfang einer langjährigen feministischen Streikbewegung. Der 8. März 2019 wird nur der öffentliche Auftakt für eine breite, langfristige Organisierung in Nachbarschaften, in Betrieben, in Senior* innenheimen, in der Kulturszene, in Freund*innenkreisen… und und und. Es liegt an uns allen, die Bewegung über den 8. März hinaus, über die nächsten Monate und Jahre, aufzubauen und mit Leben und Kampf zu füllen!
Wie wäre es für den Anfang, wenn wir nicht nur den 8. März, sondern jeden 8. jedes Monats nutzen, um uns regelmäßig auszutauschen, weiter zu vernetzen, zu organisieren und kollektiv zu verweigern: Jeden Monat 8. März!
Wir, FLTI* s, haben das Potenzial, den revolutionären Umbruch anzustoßen. Wir sind Teil der internationalen feministischen Bewegung und wir schreiben Geschichte.