Aufruf zum 8M21 der Interventionistischen Linken

Aufruf der überregionalen QF AG zu 8M21

2021 schlagen wir uns weltweit bereits seit über einem Jahr mit der Corona-Pandemie herum.
Schon in den letzten Jahren haben Frauen, Lesben, inter, nicht-binäre, trans und a-Gender-Personen (FLINTA) (auf-)gerufen: Wenn wir streiken, steht die Welt still!
Doch die Pandemie ließ uns nicht streiken. Die Pandemie ließ uns anpacken - wie immer zu Krisenzeiten.

Profite sind #systemrelevant - wir sind #lebenswichtig.
Ob unsichtbar im Privaten, in Form von Haushalt und Familie oder schlecht entlohnt unter miesen Arbeitsbedingungen im Gesundheitssystem oder in Erziehung und Bildung - Sorgearbeit wird überwiegend von FLINTA ausgeführt.  Die Voraussetzungen, unter denen wir diese Arbeit leisten, waren schon vor Corona ungerecht, haben sich aber im vergangenen Jahr drastisch verschlimmert. Um die Wirtschaft am Laufen zu halten, erleben wir in vielen Familien einen Rückfall in die westdeutschen Verhältnisse der 50er Jahre. FLINTA müssen vermehrt Zuhause bleiben, weil Betreuung und Schulbildung in den eigenen 4 Wänden organisiert werden müssen. Nebenbei soll oft noch die eigene Lohnarbeit im Home Office erledigt werden. Auch die Fälle von häuslicher Gewalt sind unter diesen Umständen erschreckend gestiegen. Schon lange ist bekannt, dass das eigene Zuhause für FLINTA und Kinder der unsicherste Ort ist. Der Ort, an dem sie am häufigsten von Gewalt betroffen sind, so auch in der Pandemie. Wir fordern mehr Frauen*häuser und Schutzräume für FLINTA und ihre Kinder und einen besseren, barriereärmeren  Zugang zu ihnen.

Das Gesundheitssystem, das vorher schon durch Profitorientierung an die Wand gefahren wurde, ist mit den vielen an Covid-19 Erkrankten völlig überlastet. Das medizinische Personal, zu einem hohen Anteilen FLINTA, ist über die Maßen gefordert und außerdem einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt. Dafür gibt es zwar Applaus, aber noch lange kein angemessenes Gehalt und gute Arbeitsbedingungen.
Auf allen Ebenen ist zu sehen: Aufgrund patriarchaler Machtverhältnisse sind FLINTA besonders von den Auswirkungen der Pandemie betroffen. Es zeigt sich: Corona ist das Virus, aber die Krankheit der Kapitalismus.

Nationale Grenzen überwinden
Europa hat sich längst zum Superspreader entwickelt und trägt zur Verbreitung des Virus in der Welt bei. Gleichzeitig verhindert es mit seiner Stimme in der WHO, die Patente frei zu geben, während wichtige Arbeitskräfte im Gesundheits- und Pflegesystem durch die Care-Chain aus den Nachbarländern und den Ländern des globalen Süden nach Deutschland gezogen werden und vor Ort fehlen.
Break the Chain und #GebtdiePatentefrei

#zerocovid - für einen solidarischen Lockdown
Für uns muss dieser 8. März 2021 daher auch Antwort auf die Politik in der Corona-Pandemie sein.
Von den rechten Antworten ganz zu schweigen, hat uns das neoliberale System gezeigt, dass es mit der Situation nicht klar kommt. Das Freizeit-Lockdown-PingPong kann kaum etwas gegen das Virus ausrichten, solange  Büros und Fabriken offen bleiben. Die Rufe nach den 'armen Frauen und Kindern' wurden jahrzehntelang nicht gehört, sollen jetzt aber gegen den Lockdown stehen? What the hell?

Das Füreinandersorgen muss  als gesellschaftliche Aufgabe statt als private Angelegenheit verstanden werden. Wir fordern eine  kollektive und solidarische Organisierung von Sorgearbeit. Um die Pandemie zu überstehen und darüber hinaus in einer besseren Gesellschaft zu leben, brauchen wir ein Sorge-, Bildungs- und Gesundheitssystem, dass sich am Menschen orientiert und nicht am Profit.

Eure Normalität ist unser Problem. Drum nieder mit Patriarchat und Kapitalismus!

150 Jahre §218 - keinen Tag länger!
Aber auch unabhängig von der Pandemie gibt es aus feministischer Sicht viel zu tun: 2021 ist der 150. Jahrestag des §218 und damit 150 Jahre Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen in  (West-)Deutschland. Wir sagen: 150 Jahre ist genug - keinen Tag länger! 2021 ist das Jahr, in dem wir die Ärmel hochkrempeln, diesen menschenverachtenden Paragraphen abzuschaffen und für reproduktive Gerechtigkeit für Alle auf die Straße gehen.

In Westdeutschland (BRD) hat der Paragraph Kontinuität, seit die Nazis,  nach einer kurzen Unterbrechung in der Weimarer Republik, die Kontrolle und Verfügbarkeit über unsere Körper wieder in Gesetz gegossen haben. In Ostdeutschland hingegen wurden unter der Maxime der Gleichheit die Paragraphen gestrichen und gleichzeitig Betreuungsangebote für Kinder geschaffen. Mit der Wiedervereinigung hat der Westen diese Rechte und Freiheit platt gemacht. Mit dem §218 gilt immer noch ein Gesetz, dass Schwangere dazu verpflichtet, die Selbstbestimmung über den eigenen Körper und das eigene Leben aufzugeben. Abtreibung ist in Deutschland im 21. Jahrhundert immer noch unter Strafe gestellt und sieht eine sogenannte Austragungspflicht vor. Das nehmen wir nicht länger hin!

Weltweit gehen FLINTA auf die Straße, um für Selbstbestimmung über Körper und Leben zu kämpfen: Ende 2020 gingen in Argentinien Tausende auf die Straße, um die längst fällige Legalisierung von Abtreibungen zu feiern. Aktuell gibt es unermüdliche Proteste in Polen gegen das faktische Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen. Wir solidarisieren uns mit den Protesten und kämpfen zugleich für die Abschaffung des §218 in Deutschland.

Reproduktive Gerechtigkeit für Alle - und das weltweit!
Mit der Abschaffung eines Paragraphen ist es nicht getan. Bei Reproduktiver Gerechtigkeit geht es darum, Kämpfe um reproduktive Rechte und soziale Gerechtigkeit zusammenzubringen. Es wird sich nicht im luftleeren Raum für oder gegen Mutter-/Elternschaft und Verantwortungsübernahme für Kinder entschieden: Materielle Bedingungen wie Wohnen, Arbeit und finanzielle Absicherung sorgen dafür, dass sich Menschen trotz Kinderwunsch gegen das Kinderbekommen entscheiden.
Daher schließt das Konzept der Reproduktiven Gerechtigkeit drei grundlegende Rechte mit ein:

-   Das Recht, sich gegen das Kinderbekommen entscheiden zu können, durch sichere Verhütungsmittel und legale, flächendeckende und kostenfreie Abtreibungsmöglichkeiten

-   Das Recht, schwanger zu werden und in sicheren und selbst gewählten Umständen zu gebären
-   Das Recht, Kinder in einem sicherem und gesundem Umfeld großziehen zu können, frei von Armut, Diskriminierung, Angst und Gewalt

Reproduktive Gerechtigkeit gilt es nicht nur vor der eigenen Haustür zu erkämpfen: Wir sind solidarisch mit denen, die weltweit für körperliche Selbstbestimmung kämpfen. Dabei gilt es genauso, sichtbar zu machen,  wie menschenverachtend global agierende Pharmaunternehmen, wie zum Beispiel die deutsche Bayer AG, handeln. Sie vertreibt im globalen Süden seit vielen Jahren gesundheitsschädigende Langzeitimplantate zur Verhütung. In Deutschland sind diese Implantate aufgrund der hohen Gesundheitsgefährdung verboten. Die rassistische und bevölkerungskontrollierende Dimension ist hier offensichtlich.

Wir hören nicht auf zu fordern, was FLINTA in Deutschland und weltweit brauchen, um selbstbestimmt zu leben:

  • Wir fordern die längst überfällige Abschaffung der §§218 und 219a!
  • Wir fordern, dass materielle Bedingungen geschaffen werden, in denen alle Menschen - unabhängig von Gender und sexueller Orientierung - eine freie Entscheidung treffen können, ob sie Eltern sein möchten, oder nicht!
  • Wir fordern, dass gesellschaftliche Erzählungen, Rollen- und Familienbilder aufgebrochen werden. Familie war für viele nie nur Mutter, Vater, Kind!
  • Wir fordern, dass das Recht auf Sexualität unabhängig vom Ziel der Reproduktion!
  • Wir fordern den sofortigen Stopp der rassistische Bevölkerungspolitik & Forschung an Menschen of Color durch (deutsche) Pharmaunternehmen wie der Bayer AG!
  • Wir fordern ein Gesundheitssystem, das unabhängig der ökonomischen Situation alle Menschen gleich behandelt und eine Auflösung des Zwei-Klassensystems im Gesundheitswesen, sodass die physische und psychische Gesundheit unabhängig von der ökonomischen Lage der Menschen sind.


Kommt mit uns auf die Straße- gemeinsam, coronakonform und solidarisch das gute Leben für alle erkämpfen! Lasst uns gemeinsam Druck erzeugen, denn wir wissen ja: schenken wird man(n) uns das nicht!