Auf der Möglichkeit einer anderen Welt beharren!

der Zweck der Revolution ist die Abschaffung der Angst! Das hat einmal jemand geschrieben.
Heute sind Angst und Unsicherheit zu den dominierenden Gefühlen unserer Gesellschaft geworden. Angst vor neuen Kriegen. Angst vor den Folgen der Klimakatastrophe. Angst davor, nicht genug zu haben. Angst voreinander, weil wir beigebracht bekommen, einander als Konkurrent*innen und Feind*innen zu begreifen. Angst vor dem, was kommen wird und dem, was schon lange ist. Diese Angst empfinden wir individuell für uns, sie begleitet uns, ist das schleichende Gefühl in unseren Mägen, das etwas nicht stimmen kann. Aber sie ist kein individuelles Phänomen. Die Angst vor dem Ende des Monats und die Angst vor dem Ende der Welt – Das ist dieselbe Angst!
Wir haben erkannt, dass die Ursache dieser Angst nicht unser Versagen ist, das sie nicht verschwindet, wenn wir nur hart genug arbeiten. Deswegen stehen wir hier. Weil wir erkannt haben, dass diese Angst Teil eines Systems ist, das uns in Konkurrenz zueinander setzt und zugleich an der Zerstörung dieser Welt arbeitet. Dass es der patriarchale Kapitalismus ist, der unsere Zukunft und unsere Gedanken mit dunklen Wolken verhängt. Und wir haben erkannt, dass es nur eine Lösung gibt: Die Selbstbefreiung der Menschheit, die Revolution!
Revolution – das ist ein Wort, dessen Verwirklichung uns oft in traumhafter Ferne zu liegen scheint. Und doch halten wir daran fest. „Zu sagen was ist, bleibt die revolutionärste Tat,“ schreibt Rosa Luxemburg. Also sagen wir es: Gerade jetzt, gerade heute ist die revolutionäre Umgestaltung dieser Gesellschaft notwendiger denn je!
Revolutionen sind keine magischen Zufälle, die einfach so auftreten. Revolutionen werden gemacht. Sie werden dann gemacht, wenn die Unterdrückten, die Vereinzelten, die Verängstigen nicht nur erkennen, wie unhaltbar ihre Lage ist, sondern auch, das bei ihnen die Kraft liegt, mit dieser Unhaltbarkeit zu brechen. Wenn WIR erkennen, dass diejenigen, die Geschichte machen, nicht einige große Männer sind, sondern wir selbst. Wir, als diejenigen, die ihren Reichtum schaffen, auf deren Rücken ihr System steht. Und als diejenigen, die in der Lage sind, die Initiative zu ergreifen. Ihre Ordnung ist auf Sand gebaut – und wir sind die Sandkörner!
Revolutionen sind auch keine Sache der Geschichte. Gerade heute erleben wir in Kurdistan eine Revolution, in der sich Millionen auf der Basis von Ökologie, Demokratie und Frauenbefreiung erheben, in der sich eine Gesellschaft gegen die Angriffe ihrer Feinde organisiert. Sie zeigt uns: Auch im 21. Jahrhundert sind revolutionäre Bewegungen möglich. An diesem ersten Mai grüßen wir die Revolutionär*innen in Kurdistan. Îro cerxa şoreşê fireh digerinê – Heute dreht sich das Rad der Revolution!
Der Sieg der Revolution steht in unseren heutigen Zeiten nicht auf der Tagesordnung. Umso mehr aber, dass wir Revolutionär*innen bleiben und werden. Denn gerade in diesen Zeiten der Militarisierung und der Kriegshetze, des Rechtsrucks und der autoritären Formierung ist die Gefahr nur allzu groß, dass die Herrschenden uns einfangen. Natürlich im wörtlichen Sinne, im Sinne der Repression, aber auch im übertragenen Sinne: Indem sie uns im Angesicht der drohenden Katastrophen dazu bringen, mit irgendeinem kleineren Übel vorlieb zu nehmen. Aber wir lassen uns nicht einfangen – uns bekommt ihr nicht!
Revolutionär*in zu werden und zu bleiben bedeutet demgegenüber, auf der Möglichkeit einer anderen Welt zu beharren, egal wie weit entfernt sie scheinen mag. Und es bedeutet, an den Werten eines freien Lebens für alle festzuhalten, sie gegen alle Widerstände zu leben und zu verteidigen. Sich nicht zurückzulehnen und darauf zu warten, dass sich die Dinge ändern, sondern sie selbst in die Hand zu nehmen. Zu verstehen: Revolutionär*innen sind wir nicht, wir werden es in unseren Kämpfen, in unseren Handlungen. In politischen Kämpfen, aber auch in Kämpfen mit uns selbst, gegen die Anteile kapitalistischer, patriarchaler, rassistischer Mentalität, die wir in uns tragen. Dafür müssen wir uns immer wieder entscheiden.
Treffen wir diese Entscheidung. Wir haben alles zu gewinnen. Das Ende der Angst und der Traurigkeit, den Beginn eines Lebens in Freiheit und Gleichheit. Schließen wir uns zusammen. Es lebe der erste Mai, es lebe die Revolution!