Die Uhr, die nicht tickt

Buchvorstellung & Diskussion mit Sarah Diehl(*) und der Queer_Feminismus-AG der iL Berlin

"Hinter dem Stigma der Abtreibung und der vehementen Empörung selbsternannter 'Lebensschützer' steht nicht die tatsächliche Sorge um Embryonen oder Kinder, sondern das Unbehagen der Gesellschaft, wenn Frauen* tatsächlich autonom über sich verfügen und bestimmen können. Es scheint leichter, ihre Souveränität zu beschneiden, als sich ernsthaft mit der Komplexität des Themas auseinanderzusetzen und die Bedürfnisse von Frauen* anzuerkennen."

(Sarah Diehl (2014): Die Uhr, die nicht tickt. S. 78)

Immer mehr Frauen* bleiben freiwillig kinderlos, nicht nur in Deutschland. Aber das Reden über die biologische Uhr ist so allgegenwärtig, dass Frauen* sich selbst misstrauen, wenn sie die Uhr nicht ticken hören. Sie zweifeln ihre eigene Entscheidungsfähigkeit an, weil ihnen vermittelt wird, dass sie etwas anderes wollen müssen.
Geht es ums Kinderkriegen, wird unbeirrt festgehalten an der Vorstellung vom angeborenen Mutterinstinkt und an der Idee vom allein seligmachenden Glück der Kleinfamilie. Politik und Gesellschaft bauen demografische und biologistische Schreckgespenster auf, um an alten Familienkonzepten und Geschlechterhierarchien festhalten zu können. Kein Kind zu wollen, gilt als unnatürlich, egoistisch oder feige. Sarah Diehl, Mitte 30 und selbst kinderlos, hat Frauen* interviewt, die freiwillig keine Mütter sind. Sie hat erfahren, dass die Gründe vielfältig sind, Egoismus oder Narzissmus gehören nicht dazu.
Ihr Buch ist das überfällige Plädoyer für eine vorurteilsfreie und zeitgemäße Einstellung zu weiblicher Identität und für neue Konzepte des solidarischen Zusammenlebens.

Die Veranstaltung ist Teil der Mobilisierung für die Proteste gegen den sogenannten "Marsch für das Leben", der am 20. September von christlichen Fundamentalist_innen und selbsternannten Lebensschützer_innen in Berlin organisiert wird.

(*) Sarah Diehl, geboren 1978, studierte Museologie, Afrikawissenschaften und Gender Studies. Sie arbeitet zum Thema "Reproduktive Rechte im internationalen Kontext", hat hierzu zwei Anthologien veröffentlicht und einen preisgekrönten Dokumentarfilm gedreht: Abortion Democracy: Poland/South Africa. 2012 erschien ihr erster Roman Eskimo Limon 9. Sie lebt als Schriftstellerin, Publizistin und Filmemacherin in Berlin.

Organisiert von der IL Berlin.