TTIP oder was?

Vom Unbehagen am Freihandel zur Kapitalismuskritik

 

Mit Trump gegen TTIP? Oder warum die TTIP- und CETA-Gegner einen Schritt weiter gehen müssen.

Jetzt kommt Trump also nach Hamburg. Und im letzten und vorletzten Herbst gab es die größten Demonstrationen in der Bundesrepublik Deutschland seit langer Zeit. Gegen TTIP. Was für einen Grund gibt es, nun in Hamburg gegen G20 auf die Straße zu gehen? Die G20 sind sich, was den Freihandel angeht, doch gar nicht einig. Außerdem kommt man ja in Teufels Küche, wenn man denn nun mit Trump zusammen gegen TTIP ist. Und wenn man gegen Trump ist, ist man also für den kanadischen Premierminister Trudeau? Also für CETA, weil dann ein weltoffener Kapitalismus doch noch besser ist, als rechtspopulistisches Protektionismusgeschwafel …

Trump oder Trudeau?
Spätestens an dieser Stelle wird deutlich, dass die TTIP- und CETA-Gegner einen Schritt weiter gehen müssen und können. Der G20-Gipfel in Hamburg zeigt: Hier geht es nicht um eine Detailfrage in einer ansonsten halbwegs akzeptablen Weltordnung. Hier geht es um die Weltordnung selbst. Das lässt sich zum Beispiel sehr klar an Trudeau und Trump zeigen: wie sich nämlich hinter der vermeintlichen Differenz eine Einigkeit verbirgt, die nicht zur Kenntnis genommen wird. Trudeau setzt Zeichen gegen Rassismus, plädiert für Weltoffenheit und lässt sich mit syrischen Flüchtlingen fotografieren. Das ist geschickt und verbirgt die faktische Politik dahinter. Wenn es um Öl geht, sind ihm die Rechte der Indigenen in allen Teilen Kanadas herzlich egal. Umweltzerstörende Ölpiplineprojekte, gegen die diese protestieren, werden von ihm kurzerhand durchgewunken. Und an dieser Stelle ist er, wie wir wissen, mit Trump in bester Gesellschaft. Der Kampf der Indigenen in North Dakota wird durch Trump mit brutaler Gewalt und im Interesse auch seiner eigenen Unternehmungen ausradiert. Gibt es hier Differenzen? Vielleicht die, dass Kanada in Bezug auf die Ölproduktion zumindest im Moment ein größeres Interesse an CETA haben muss als die USA, weil es ja darum geht, kanadisches Öl und Gas nach Europa zu exportieren. Für alles Weitere genügen den USA, wie wir wissen, die Firmenniederlassungen in Toronto.

Neoliberalismus unterschiedlicher Spielarten
Und auch mit Trumps Anliegen, an NAFTA Korrekturen anzubringen, hat Trudeau keine Probleme. Zwischen Kanada und den USA läuft es prima. Nachverhandelt werden soll der Teil, der Mexiko betrifft. Hier sieht Trump für die USA nur Probleme und Nachteile. Damit aber hat Trudeau kein Problem.
Hierbei nachzubessern, mit diesem Versuch ist Trump in bester Gesellschaft und kann sich durchaus ein Beispiel an den deutschen bzw. EU-Verträgen mit afrikanischen Staaten nehmen. Nicht unerheblich ist ja, dass die Wall Street – neben allem öffentlichen Geschrei – die Maßnahmen Trumps mit einem Sprung des Dow-Jones-Index nach oben honoriert hat. Gehörte doch zu den ersten Streichungen Trumps die der zaghaften Regulierungsversuche der Obama-Administration, gegen die schon die EU Sturm gelaufen ist.

Aus dieser Perspektive wird deutlich, dass es nicht ausreicht, sich ein einzelnes Freihandelsabkommen auf die Agenda „Was denn zu verhindern wäre“ zu setzen. Vielmehr wird es darauf ankommen, die gesamte Entwicklung zu verfolgen und sich klar zu machen, dass Freihandelsabkommen und möglicherweise protektionistische Maßnahmen Aktivitäten in einem Setting sind, die durchaus widersprüchlich erscheinen, aber sich dennoch in einem Gesamtrahmen wiederfinden, der diese scheinbaren Widersprüche problemlos aushält. Anders als die neoliberalen Ideologen behaupten, gibt es den Neoliberalismus niemals in Reinform, sondern nur in unterschiedlichen Spielarten, die sich lediglich an einem Punkt nicht unterscheiden: der maximalen Verwertung des Kapitals!

aus: Zeitung der Interventionistischen Linken (→ mehr)

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