Lasst uns nicht mehr stehen bleiben, bis wir diese Welt verändert haben!

Der Redebeitrag des antikapitalistischen Blocks auf der Blockupy Auftaktkundgebung von ...ums Ganze! und der interventionistischen Linken

Blockupy Frankfurt 2013 - "der Kapitalismus gehört abgeschafft!" - Auftakt

 

Marina Sommer: Schön, dass ihr alle da seid!

Carla Winter: Genauer: Schön, dass ihr alle schon wieder da seid. Und immer noch da seid! Wir haben ja schon in den letzten Tagen gemeinsam und massenhaft deutlich gemacht, dass wir nicht einverstanden sind mit Deutschlands Politik. Wir haben es nicht nur symbolisch, sondern ganz praktisch deutlich gemacht. Deswegen haben wir gezeltet. Deswegen haben wir mit 1000en die EZB blockiert. Und deswegen haben wir zentrale Akteure des europäischen Krisenregimes markiert: auf der Zeil, im Bankenviertel, im Flughafen.

Marina Sommer: Dabei haben wir uns nicht aufhalten lassen. Das Verhalten der Bullen gestern hat deutlich gezeigt, Demokratie ist nicht Sache des Staates - Alles muss mensch selber machen! Aber die letzten zwei Tage haben auch gezeigt: zusammen können wir das. Wir können den Normalbetrieb des europäischen Krisenregimes unterbrechen. Wir können der Elendsverwaltung und Verarmungspolitik Steine in den Weg legen. Wir können Räume öffnen, um über wirkliche Alternativen zu den Zwängen des Kapitalismus zu sprechen.

Carla Winter: Und diese gemeinsamen Räume haben wir nicht hier alleine erkämpft, sondern uns bundesweit und international vernetzt.

Marina Sommer: Die Spardiktate der Troika machen den internationalen Kampf nötig. Die sogenannte Marktwirtschaft hat nicht mehr zu bieten als eine Ökonomisierung aller Lebensbereiche und ein endloses Rennen, Rackern und Rasen im Hamsterrad der Standortkonkurrenz. Egal ob Athen oder Berlin, so unterschiedlich die Realitäten an den Rändern und in den Zentren des europäischen Kapitalismus auch sind: Der Kapitalismus kann nur überleben, indem er die Gesellschaft in immer kürzen Abständen in immer größere Krisen stürzt: Sozial. Ökologisch. Ökonomisch.

Carla Winter: Die Krise ist nicht einfach das Ergebnis einer "falschen Politik". Die Krise resultiert aus dem Problem, dass der Kapitalismus schlicht zu produktiv für sich selbst geworden ist. Mit immer weniger Aufwand können immer mehr Waren produziert werden. Eigentlich super. Doch im Kapitalismus führt das zu Überproduktion und Absatzkrisen. Weil hier nicht für die Erfüllung von Bedürfnissen, sondern für Profite gearbeitet und gelebt wird.

Marina Sommer: Die Arbeit wurde verdichtet, das Arbeitstempo beschleunigt und der Leistungsdruck erhöht. Weltweit müssen sich immer mehr Menschen zu den schlimmsten Bedingungen verkaufen, weil ihre Arbeitskraft gemessen am gültigen Produktivitätsniveau immer weiter entwertet wird. Im globalen Süden sind diese Zustände unfassbar katastrophal. Zugleich vertieft sich auch die Krise der Reproduktion – all jener Tätigkeiten und sozialen Zonen, die vermeintlich abseits kapitalistischer Ausbeutung deren Grundlagen sichern und erneuern. Lebensrisiken werden privatisiert, das Private kommerzialisiert. Die vorübergehende Rettung des Kapitals führt zur Dauerkrise des Sozialen und zu verschärfter geschlechtsspezifischer Ausbeutung. Denn unbezahlte Arbeit wird unverändert vor allem Frauen abverlangt. Der kommende Aufstand muss daher auch ein feministischer Aufstand sein.

Carla Winter: Zu diesen Widersprüchen des Kapitalismus gehört, dass er auf der Ausbeutung der menschlichen Arbeitskraft beruht, und diese gleichzeitig in wachsendem Maße überflüssig macht. Die weltwirtschaftliche Dynamik wird schon seit über dreißig Jahren vor allem durch eine immer größere Aufblähung von Spekulation und Kredit in Gang gehalten.

Marina Sommer: Weil die sogenannte Realwirtschaft am Tropf der Finanzwirtschaft hängt greift auch jede Beschränkung auf eine Finanzsteuer hier und ein bisschen Umfairteilen da zu kurz. Diese Krise ist nicht die Krise eines bestimmten „Raubtierkapitalismus“.

Carla Winter:  Jedes  Opfer, das uns nun abverlangt wird, um die zerstörerische Dynamik  dieser Lebensweise weiter in Gang zu halten, ist ein Hohn auf das gute  Leben, das längst möglich wäre: in einer Gesellschaft jenseits von  Warenproduktion und Staat. Theoretische wie praktische Radikalität ist  vor diesem Hintergrund keine Frage des Lifestyles, sondern der   Ehrlichkeit. Denn es wird immer deutlicher: Die Krise selbst stellt die  Systemfrage. Es  kommt daher darauf an, wie wir sie beantworten.

Marina Sommer: Denn Kapitalismus bedeutet: in den Produktionsstätten der Profiteure sterben Menschen für unsere billigen Tshirts. Heute ist eine klare  antikapitalistische  Perspektive keine abstrakte Pflichtübung.

Carla Winter: Während in Deutschland noch um die Legitimität zivilen Ungehorsams gefeilscht wird, bräuchten wir längst einen radikal ungehorsamen und unversöhnlichen Widerstand. Der Kapitalismus kann nicht gekittet und sozialisiert werden, sondern er muss beendet werden.

Marina Sommer: Unser Kampf gegen dieses System kann dabei in der Stadt, am Arbeitsplatz, an den Grenzen ansetzen. Zentral dabei ist, dass wir ihn stets als einen globalen Begreifen. Denn die kapitalistische Standortkonkurrenz lässt heute nur noch zwei Alternativen zu: Entweder wir schaffen eine Vernetzung und Solidarität gegen alle Grenzen - oder wir haben den Kampf bereits verloren.

Carla Winter: Wir kennen alle das Gerede über sogenannte "Pleitegriechen", angeblich "faule Südländer" und andere Diskursgespenster, die angeblich über ihre Verhältnisse gelebt hätten. Dies sind nur einige Formulierungen rassistischer Ressentiments.Es ist die Aufgabe eines antinationalen bzw. internationalistischen Kampfes, diese nationalistischen Ideologien zu demaskieren.

Marina Sommer: Gegen Spardiktate und Abschiebungen, gegen Niedriglöhne und gegen die Festung Europa.Antirassistische Kämpfe und Sozialproteste gehören zusammen: für eine Gesellschaft die nicht an Profit oder Staatsräson, sondern an den Bedürfnissen der Menschen ausgerichtet ist.

Carla Winter: Genau deswegen ist unser Protest auch heute schon ein internationaler. Hier liegt eine gemeinsame Perspektive. Wir sind nicht gleichzeitig auf der Straße, um Kämpfe anderer nur zu unterstützen, sondern, weil wir gemeinsam kämpfen. Nicht "für die anderen", sondern für uns alle.

Marina Sommer: Denn sehen wir den Tatsachen in die Augen: Wenn wir eine solidarische Welt wollen - dann kommen wir um Aufstand und Revolution nicht herum. Breit organisiert und im Alltag verankert, mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln und Widerstandsmöglichkeiten.

Carla Winter: Und weil wir das Problem heute nicht lösen können, tragen wir den Widerstand in unseren Alltag. In unseren Städten und Orten werden wir weiter an einer Verankerung einer antikapitalistischen Bewegung arbeiten.

Marina Sommer: Und wir kommen wieder. Spätestens zur Eröffnung der neuen EZB-Türme im nächsten Jahr. 2014 wird Frankfurt Ort des großen Treffens der antikapitalistischen Bewegungen. Denn nächstes Jahr werden wir die Eröffnung der neuen EZB gehörig versalzen! Das Personal der Troika wird nicht durchkommen! No Pasaran!

Carla Winter: Und heute laufen wir uns warm. Das deutsche Krisenregime stürzen! Kapitalismus überwinden! Für den Kommunismus! Jetzt gleich gehen wir los, lasst uns gemeinsam demonstrieren, lasst uns nicht mehr stehen bleiben, bis wir diese Welt verändert haben!